Pianonews 06 / 2010

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„Er sollte wirklich üben ...“
Gary Graffman
Von: Benjamin Ivry
In diesem Sommer bot das aufstrebende „International Keyboard Institute and Festival“ (IKIF) am New Yorker Mannes College of Music zahlreiche Höhepunkte, zu denen auch eine Ehrung des Pianisten Gary Graffman gehörte, der am 25. Juli auftrat. Der Pianist, der am 14. Oktober 82 Jahre alt wurde, ist Autor der 1981 erschienenen und niemals ins Deutsche übersetzten Memoiren „I Really Should Be Practising“, eine der zauberhaftesten Biografien, die jemals von einem Musiker niedergeschrieben wurden. Graffman wurde in Manhattan in eine russisch-jüdische Familie geboren (sein Vater Vladimir war Student von Leopold Auer). Nachdem er das Klavierspiel im Alter von drei Jahren begonnen hatte, ging er 1936 an das Curtis Institute in Philadelphia, wo er Student der gefürchteten russischstämmigen Pädagogin Isabella Vengerova wurde. Nachdem er 1946 seinen Abschluss gemacht hatte, konnte er sein Debüt unter dem Dirigenten Eugene Ormandy mit dem Philadelphia Orchestra spielen, und 1948 gewann er den renommierten Leventritt Award. Trotz dieser Maßstäbe setzenden Ehrung führte er seine Studien bei Rudolf Serkin beim Marlboro Music Festival fort und – auf weniger formaler Basis – auch bei Vladimir Horowitz. Graffmans Einspielung der Klavierkonzerte von Prokofiew mit dem Cleveland Orchestra unter George Szell von 1966 ist eine vielbeachtete Einspielung, die vor kurzem von Sony Classical wiederveröffentlicht wurde. Zudem wurden vom Label ArkivMusic.com vier weitere Aufnahmen aus den 1950er und 1960er Jahren wiederveröffentlicht, die Brahms- und Chopin-Klavierkonzerte hören lassen, dirigiert von Charles Munch, sowie einige Solo-Recitals mit Werken von Chopin und Liszt. Unglücklicherweise bekam Graffman 1979 Handprobleme, wahrscheinlich Fokale Dystenie als Folge einer Verstauchung der rechten Hand im Jahre 1977, die ihn dazu zwangen, ausschließlich Repertoire für die linke Hand zu spielen. Da er damit seine Konzerttätigkeit drastisch einschränken musste, konzentrierte er sich auf das Schreiben, Fotografieren, das Sammeln asiatischer Kunst und: das Lehren. 1980 wurde er Lehrer des Curtis Institute, das er ab 1986 als Direktor leitete und dessen Präsident er 1995 wurde. 2006 ging er in Ruhestand. Aber Graffman fuhr fort zu unterrichten und unter seinen Studenten finden sich Pianisten wie Yuja Wang, Lang Lang und Haochen Zhang.
An einem munteren und hellen Sommernachmittag beantwortete Gary Graffman in seinem Appartement nahe der Carnegie Hall in New York unsere Fragen nach seinem Leben und seiner Arbeit humorvoll.