Pianonews 04 / 2010

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„Es geht darum, dass man sich weiterentwickelt.“

Ewa Kupiec

Von: Carsten Dürer


Es ist fast 13 Jahre her, dass wir die damals gerade in Deutschland auftauchende Pianistin Ewa Kupiec porträtierten (Ausgabe PIANONews 1-1998). Seither hat sich die Karriere der heute in Italien und München lebenden Polin stark entwickelt. Sie ist ein Begriff in der Musikwelt. Doch wie sieht sie sich selbst, wie haben sich ihre Gedanken über Musik, den Musikbetrieb und die Sicht auf die Bedeutung ihrer eigenen Person entwickelt? Um dies festzustellen, trafen wir die viel reisende und viel beschäftigte Pianistin in Mönchengladbach am Rande mehrerer Konzerte, in denen sie Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 interpretierte. Vor kurzem ist auch ihre neue CD mit dem Titel „Zal“ auf den Markt gekommen, auf der sie sich einmal mehr Chopin zuwendet und einige seiner Werke mit denen von Schubert verknüpft.


Als wir uns treffen, kommt sie gerade von einer Probe zum abendlichen Konzert. Sie wirkt angespannt und ein wenig müde – und dennoch voller Energie. Ewa Kupiec, das stellt man schnell fest, ist eine Pianistin voller Gegensätze, die sich ärgert über vieles, die aber auch weiß, dass sie die Welt nicht so leicht ändern kann. Aber sie hat immer versucht ihren eigenen Weg zu gehen. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Randall Meyers hat sie vor einiger Zeit aus dem Wunsch, ihre künstlerischen Aussagen nicht nur auf der Bühne zu kontrollieren, ein eigenes Label gegründet.
Sie sieht mich an, ich sage ihr, dass es 13 Jahre her ist, dass wir uns das letzte Mal zu einem Interview getroffen haben. Sie staunt, lächelt und sagt: „Ja, wir werden älter, ich bin schon 45 Jahre alt. Das war damals die Anfangsphase von mir in Deutschland.“ Damals war Ewa Kupiec noch eine Art Geheimtipp, eine Pianistin, die nur Kenner einzuschätzen wussten. Wie hat sich das geändert? „Das dürfen Sie mich nicht fragen, das müssen Sie die anderen Leute fragen. Was bedeutet das überhaupt: Geheimtipp? Das bedeutet doch nur, dass wenn man keiner mehr ist, dass man dann mehr zu tun hat. Zudem heißt es, dass man sich ständig mehr bemüht, dass man nicht mehr als Geheimtipp bewertet wird. Das hat sich inzwischen bei mir natürlich geändert. Und geändert hat sich bei mir auch, dass ich heute viel mehr solistisch auftrete, dass ich nicht mehr so viel Kammermusik spiele. Das bedeutet doch anscheinend, dass sich da etwas entfaltet hat.“ Mittlerweile spielt Kupiec auch weitaus mehr im Ausland als noch vor Jahren. „Ja“, freut sie sich, „kommende Woche fahre ich nach Japan. Bislang trete ich nur wenig in den USA auf, aber in Australien, in allen Ländern in Europa und Asien. Das hat sich wirklich schön entwickelt.“ Warum weniger in den USA? Darüber hat sie ihre eigenen Gedanken: „Da muss man einfach einen verdammt guten Agenten haben. Zudem ist die Einreise in die USA mit all den Sicherheitsmaßnahmen auch immer schwieriger geworden. Zudem haben sich die Amerikaner auch stärker auf die eigenen Künstler fokussiert, die ja auch hervorragend sind. Oder zumindest die Künstler, die dort schon bekannt sind. Wenn man also ohne Agenten etwas versucht, ist das sehr schwierig. Zudem sollte man sich fragen, ob man überhaupt überall auftreten will. Denn natürlich ist nicht mehr alles Gold, was sich früher so glänzend darstellte. Natürlich würde ich schon öfter in den USA spielen wollen, aber wenn ich mir dann vorstelle, ganz einsam von einer Stadt die großen Entfernungen in die nächste zu unternehmen ... und dann in irgendwelchen kleinen Städten zu spielen ... das ist sehr mühsam. Das sieht schön auf dem Papier aus, aber man sollte sich doch auf das Wesentliche konzentrieren, auf die Musik.“

Karriere und Entwicklung

Ewa Kupiec sieht im Hinblick auf ihr Alter und ihre Erfahrungen heutzutage viele Dinge anders, abgeklärter, wenn es um die Frage nach einer Karriere geht. „Ja, dieser Begriff Weltkarriere ist schon ein schöner Gedanke ... Aber letztendlich sieht man doch, wenn man irgendwo ankommt, dass diese Welt sehr lokal ist. Aber es geht dann doch immer nur um die Qualität, darum, dass man sich entwickelt, Neues lernt. Wenn man aber beständig unterwegs ist, mit immer denselben Programmen, dann sind die Chancen, Neues zu lernen, doch sehr beschränkt. Und vor allem ist die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten, dann fast gleich null, da die Müdigkeit einen auffrisst.“ Ewa Kupiec hat eine Karriere, eine, für die sie hart und kontinuierlich gearbeitet hat, für die sie sich ständig weiterentwickelte, immer mit dem Blick auf die Qualität. Sie spielt mehr solo, das steht fest. Früher war sie vor allem als Kammermusikerin für das gesamte Cello-Repertoire viel gefragt, spielte ein ums andere Mal Kammermusikwerke rauf und runter. Wie hat sich nun ihr tägliches Leben verändert, gerade wenn es um das Thema Üben geht, da sie doch viel mehr unterwegs ist als in früheren Zeiten? „Ich muss ehrlich sagen: Ich habe eine gute Balance für mein tägliches Leben gefunden. Ich habe einen festen Partner seit 16 Jahren. Er hat seine Kinder, auch wenn wir keine gemeinsamen Kinder haben. Also hatte ich in meinem Haus in Italien immer eine Insel, zu der ich zurückkehren konnte, wo ich ein normales Leben führen konnte. Und so konnte ich dort auch immer wieder Energie tanken.“

Rolle der Frau auf der Bühne

Plötzlich sagt sie: „Es ist gut, dass Sie dieses Thema ‚Balance’ angeschnitten haben, denn ich wollte mit Ihnen so und so über dieses Thema sprechen.“ Sie denkt kurz nach und fährt dann fort: „Für eine Frau ist dieser Beruf sowieso schwierig.“ Genau das hatte sie schon vor 13 Jahren erwähnt, werfe ich ein. „Ja, ich weiß“, sagt sie, „aber ich erwähne es nun mehr und mehr und immer wieder. Es gibt ja eine Flutwelle an jungen Mädchen, die CDs einspielen und Karriere machen. Auf der einen Seite ist das natürlich wunderbar. Aber die Ausdauer zu haben, um die Qualität und die Kraft zu haben, es sein ganzes Leben so fortzuführen, das ist wirklich das Schwierige. Man sollte doch die gesamte Zeit über das Kreative pflegen und beibehalten. Auf der anderen Seite darf man aber auch nichts in seinem Leben bereuen, gerade als Frau. Und natürlich verstecken das viele Künstler. Sie belügen sich selbst, da sie sagen, dass sie so viel spielen, dass sie keine Zeit für andere Dinge wie Familie und Kinder haben. Und dann kommt irgendwann der Schlag. Und für die Frau stellt sich dann manches Mal heraus, dass sie nicht das normale Leben einer Frau hatte, sondern alles für eine Karriere aufgegeben hat. Oder es passiert, dass plötzlich eine Familie und Kinder da sind und sie dann keine Karriere machen konnte. Und diese Faktoren sind wichtig – für uns Künstler. Wenn man mit 45 Jahren noch dasteht und dann auch noch mit Berufung und Lust spielt, dann muss das ausbalanciert sein, ansonsten kann man die Kraft nicht beibehalten. Man muss täglich üben, wir müssen uns mit dem Material und der Musik täglich auseinandersetzen – und wir sind dadurch sehr einsam. Das ist schwer für uns und auch für die Menschen in unserer nächsten Umgebung, denn wir sind niemals da für diese Menschen.“ Sie erwähnt, dass sie am Vorabend Eiskunstlaufen im Fernsehen angeschaut habe und sagt, dass man das Leben dieser Sportler vielleicht mit dem eines Pianisten vergleichen kann. Aber sie schränkt auch ein: „Die machen das aber nicht so lange wie ein Pianist. Bis 40 vielleicht.“ Und sie haben immer noch einen Trainer an der Seite. Als Pianist ist man dann meist doch komplett allein. „Ja“, sagt sie, „und alles andere kann man fast vergessen. Natürlich hat man viele Kontakte, trifft viele Leute, aber die haben alle etwas mit dem Beruf zu tun. Und wenn die Konzerte wegfallen würden, dann wären diese Menschen ja auch nicht mehr da. Ich will nicht sagen, dass diese Kontakte oberflächlich sind, aber sie sind halt fokussiert auf das, was man tut.“

Der Markt

Ewa Kupiec hat sich gerade über das Leben neben ihrem Beruf viele Gedanken gemacht – Gedanken, die sie allein aufgrund ihres Berufs hatte. Und solche, über die nur selten Künstler zu sprechen bereit sind. „Ich habe mich immer gefragt, wie man eine gesunde Balance finden kann in seinem Leben, ohne dass man etwas bereuen muss. Diese Dinge beschäftigen mich heute mehr und mehr. Auch weil der Markt immer brutaler geworden ist. Die Künstler präsentieren sich oder werden präsentiert wie Stars. Doch wenn einer nicht durchhält, dann stehen die nächsten schon Schlange und werden an ihre Stelle gebracht. Zudem ist die Zeit der großen Persönlichkeiten vorbei. Die Anpassungsfähigkeit an die moderne Welt ist heutzutage viel wichtiger geworden. Und dies, obwohl man diese Persönlichkeit auf der Bühne unbedingt haben muss.“ Die Schnelllebigkeit ist nun einmal größer geworden, sage ich. Und Kupiec hat recht: Es ist grandios, dass so viele junge Menschen sich für diesen schwierigen Beruf entscheiden, auch wenn sie vielleicht noch nicht wirklich wissen, worauf sie sich da einlassen. „Das ist ja auch in Ordnung“, wirft die Pianistin ein, „sie müssen ja noch Lust daran haben, viel zu arbeiten“, grinst sie. Aber viele der jungen Pianistinnen und Pianisten erhalten nicht mehr die Zeit, sich zu entwickeln, wenn auch das Talent entsprechend vorhanden ist. „Der Markt will auch ein falsches Image verkaufen, das mit dem Menschen nicht übereinstimmt. Und in diesem Moment hat man ein Problem, denn man will dann dem Image nacheifern, ihm gerecht werden, obwohl es mit der Person nicht zusammenpasst. Und das ist inzwischen auch in der klassischen Musik ein Trend, der sehr gefährlich ist.“ Der Künstler, sagt sie, wird zu einem Produkt.
Zurückkommend auf den Beginn unseres Gesprächs, sagt sie dann: „Sie sagten, ich war ein Geheimtipp. Eigentlich bin ich ganz froh, dass es so war, denn ich konnte mich jahrelang langsam entwickeln. Ich war kein Star, man erwartete nichts von mir. Und so habe ich keinen Druck empfunden. Immer wenn ich ein Stück weiter war, ging es dann auch ein Stückchen vorwärts in meiner Karriere. Man hat mich wahrgenommen, ich war einfach immer da und habe gespielt. Und ehrlich gesagt, bin ich für diese Art von Entwicklung, die mir auf diese Weise ermöglicht wurde, sehr dankbar. Die Pianisten zwischen 40 und 60 Jahren haben eigentlich großes Glück, denn sie können einfach Kunst machen. Die anderen müssen dazu noch etwas anderes pflegen, was so gefährlich ist: sich schnell entwickeln, ganz viel ganz schnell lernen. Das können dann aber nur ganz wenige. Vielleicht kann Lang Lang so etwas“, lacht sie. „Aber wenn man seine Autobiografie liest, dann erkennt man ja auch, dass er es von klein auf gewohnt war, so schnell und viel zu lernen. Er hat schon viel gelitten und erlitten. Aber ich glaube, dass 99 Prozent der jungen Pianisten solch eine Disziplin und Jugend nicht hatten.“ Das ist wohl auch einer der Gründe, warum in Zukunft vielleicht mehr und mehr junge Chinesen sich auf den Weltbühnen tummeln werden. „Ja, das muss man schon in der Kindheit erarbeitet haben, muss sich schon früh daran gewöhnt haben.“
„Das kann man mit der russischen Klavierschule von früher vergleichen“, ruft sie plötzlich.
Ganz genau. Aber hat Ewa Kupiec nicht auch eine ähnliche Ausbildung mit Härte und Disziplin durchlaufen? „Ja, das ist richtig. Man kann diese Disziplin auch mit Sportschulen vergleichen, wenn man die Biografien dieser Leute liest, dann erkennt man, dass auch diese schon in jüngsten Jahren die Disziplin benötigen. Und es scheint irgendwie so, dass dieses Element doch unvermeidlich ist, will man sich diesem Beruf widmen.“ Ist es denn eine Absage an die Jugend, ist es in der Rückschau etwas, was man bedauert? „Ich denke, das ist eine Frage des Charakters. Diese Konzentration auf etwas, wenn man diese Fähigkeiten als Kind hat. Aber – wie gesagt – letztendlich ist es eine Frage des Charakters. Manche Kinder sind sehr zerstreut, können sich am Instrument gar nicht konzentrieren, dann kann man es vergessen, dass sie sich entwickeln.“

Entwicklungen

Vor 13 Jahren erwähnte Ewa Kupiec, dass der Beruf für sie nicht nur als Frau anstrengend wäre, sondern auch deshalb, da sie kleine Hände hätte. Hat sie mittlerweile einen Weg gefunden, dass dieses „Manko“ sich nicht mehr bemerkbar macht? „Inzwischen sind sie breiter geworden“, lacht sie und zeigt ihre Hände vor. „Aber physisch ist es immer noch anstrengend, das ist richtig. Aber den Komplex kleiner Hände habe ich natürlich nicht mehr. Das war eine Zeit, als mir noch von außen gesagt wurde, was ich sei und wie ich sei – und ich glaubte dies alles. Und man hatte mir auch gesagt, dass ich zu kleine Hände hätte, um bestimmtes Repertoire zu spielen.“ Mittlerweile hat sie erkannt, dass es nur eine Meinung ist, dass man diese Beschränkung haben muss. „Es war eine Zeit, als ich noch alles aufgesaugt habe, was man mir sagte, ich war noch nicht so immun gegen Meinungen von außen. Das hat etwas mit der Psychologie zu tun, mit Selbstständigkeit als Frau. Mit Anfang 30 wird eine Frau immer noch als junge Frau auf der Bühne angesehen. Man sagt: Sie ist noch jung, man lässt es sie auch spüren. Heutzutage, wenn ich mit Dirigenten arbeite, und ich meine Meinung sage, hören die Leute mir zu. Das soll nicht heißen, dass ich es besser weiß, aber vielleicht erkennt man heute, dass ich auch etwas zu sagen habe, musikalisch. Und ich werde nicht mehr länger ignoriert. Dies ist auch eine Befreiung. Man verkauft sich vielleicht leichter, wenn man noch jung aussieht, aber auf der anderen Seite wird man im Musikleben nicht so ernst genommen. Und das ist nicht eine Sache von Frauen, das bezieht sich auch auf die Männer.“ Würde sie junge Pianistinnen also vor Dingen, die sie erlebt hat, warnen wollen? „Nein, ich würde ganz offen mit ihnen sprechen. Denn die jungen Pianistinnen, die jetzt so exponiert sind, sind ja noch Studentinnen. Sie sind ja erst Anfang 20. Ich hoffe sehr, dass sie einen Klavierlehrer haben, der ihnen gute Ratschläge gibt, aber auch eine Frau, die ihre Erfahrungen mit ihnen teilt, eine Pianistin, dass sie ihnen von den Gefahren erzählt. Die Gefahren sind ja groß, und man kann mit einer Handbewegung einen Fehler machen, den man dann zu spüren bekommt.“
Ewa Kupiec war niemals bei einem der ganz großen Schallplatten-Labels, die ihre Künstler stark exponieren wollen. Hat sie dieser Umstand auch vor einigen Dingen bewahrt? „Ja, natürlich. Heutzutage allerdings ist es gar nicht mehr so wichtig, bei welchem Label man ist. Dazu gibt es zu viele Labels auf dem Markt. Aber damals war es noch anders. Rückblickend weiß ich, dass es für mich ein Glück war. Man hatte mir vor kurzem auch geraten, dass ich meine Aufnahmen einer großen Firma anbieten solle. Aber das wollte ich nicht, denn ich weiß, dass man dann in Bezug auf das Repertoire in jedem Fall begrenzt ist. Und das wollte ich nicht. Ich habe auch damals bei Koch Schwann Aufnahmen gemacht, die ich heute nicht mehr hören will, da ich immer nett zu allen sein wollte. Ich habe die Nocturnes und die Préludes von Chopin eingespielt. Und dann kam jemand und sagte zu mir, dass ich es anders spielen solle, da es doch so nicht in den Noten stehen würde. Das habe ich dann gemacht, aber das war doch stinklangweilig! Jetzt spiele ich, was ich höre. Wenn mir jemand also jetzt sagt: Da steht aber etwas anderes, dann sage ich: Ja, aber ich will gerade, dass es so klingt, weil ich es musikalisch so empfinde.“ So war es auch mit ihrer neuen CD „Zal“, bei der man ihr sagte, dass dieser Titel schwer zu verstehen sei. Dennoch entschied sie sich für diesen von der Chopin-Freundin George Sand für ein Gefühl benutzten Ausdruck als Titel. „Es ist schön, diese 100 Prozent Verantwortung für das, was man macht, zu übernehmen. Wenn jemand dann sagt, es gefällt ihm nicht, kann ich besser damit leben, als wenn ich etwas gemacht habe, wovon ich selbst nicht überzeugt war, und dann diese Kritik kam.“ Daher hat sich Ewa Kupiec auch von etlichen ihrer früheren Aufnahmen losgesagt. „Man kann nicht sagen, dass ich zu jung war. Ich war mir über vieles nur noch nicht so bewusst wie heute. Soeben habe ich beispielsweise Enescus 3. Suite und Kodálys ‚Klavierstücke’ op. 11 eingespielt. Davon würde einem jedes Label abraten. Wenn man also selbst für die eigenen Aufnahmen verantwortlich ist, dann kümmert man sich darum, wie um ein Kind, da man sich mit diesen Aufnahmen identifiziert. Auch wenn es schwieriger ist.“ Jedes Jahr investiert sie nun ihr eigenes Geld in ihre eigenen Aufnahmen, „anstatt teure Kleider oder Autos zu kaufen“, sagt sie. Letztendlich war es ihr Lebenspartner, der Komponist Randall Meyers, der sie überzeugte, ihre CDs auch selbst in die Hand zu nehmen und sie auf dem von ihm gegründeten Label Solaris Records zu veröffentlichen. „Aber mittlerweile identifiziere ich mich mit diesem Label so stark, dass ich oft schon von meinem Label spreche, und Randall mich korrigiert, dass es seine Firma ist.“ Sie lacht herzlich.
Wenn sich Ewa Kupiec von alten Aufnahmen – auch denen mit Chopin – distanziert, kehrt sie nun allerdings zurück zu Chopin, im Chopin-Gedenkjahr. Ist es eine Wiederentdeckung von Chopin für sie? „Nun, ich habe meine CD ja nicht ‚Ewa Kupiec spielt Chopin’ genannt, ich wollte eine viel persönlichere Einspielung machen. Es gibt momentan zu viele Chopin-CDs, ich wollte aber eine persönliche Auswahl haben, daher habe ich Chopin auch mit Schubert kombiniert. Vor allem wollte ich eine Aufnahme machen, die auch das Chopin-Jahr überlebt.“ Auf der anderen Seite gibt sie zu, dass das Chopin-Jahr für Pianisten eine Gnade ist, da man viel spielen kann. „Auch ich spiele viele Konzerte mit Chopin. Man verdient Geld mit Chopin. Es ist ein fettes Jahr für Pianisten. Aber man spürt auch, dass man sofort leicht in eine Schublade gesteckt wird. Dabei habe ich niemals den Chopin-Wettbewerb gewonnen, habe viel moderne Musik gespielt. Nun spüre ich, dass es einen immensen Druck für einen Pianisten bedeutet. Und im kommenden Jahr ist das Chopin-Jahr vorbei und man muss etwas anderes machen.“ Bestand für eine Polin wie Kupiec nicht eine doppelte Gefahr, da man doch sicherlich der Meinung erliegen kann, eine Polin muss natürlich Chopin spielen? „Nun, ich bin froh, dass ich jeden Monat auch etwas anderes spiele. Ich spiele die Klavierkonzerte oft, aber in der Quartett-Besetzung. Aber daneben habe ich im Januar Strawinskys ‚Capriccio’ und ein Mozart-Rondo mit Orchester gespielt, jetzt spiele ich Beethovens 4. Klavierkonzert, im April war es das Tripelkonzert von Beethoven, das Konzert von Schnittke und Szymanowskis 4. Konzert. Dann kommt die ‚Burleske’ von Strauss ... Dann kommt die Enescu-Kodály-Aufnahme. Das freut mich besonders, da ich mich die ganze Zeit als Pianistin zeigen kann, nicht als spezialisierte Chopin-Spielerin. Das wäre eine enorme Gefahr.“
Wenn es um Chopin geht, hat sich ihre Einstellung entsprechend ihrer Entwicklung verändert: „Ich spiele nur noch die Werke, die mich ansprechen, auch einige der Werke, die nicht so oft gespielt werden. Es sind vielleicht die Werke, die die Komplexität der tragischen Figur Chopin besser widerspiegeln, so wie die Opus-Zahlen zwischen 39 bis 49.“ Daher, so sagt sie, hat sie auch auf ihrer neuen CD nicht die den späten Opus-Zahlen folgende 3. Sonate und die Cello-Sonate angefügt, sondern die Schubert-Sonate D 894. „Die Stimmung der Schubert-Sonate stand den anderen Werken für mich persönlich näher, als nur lexikalisch die zwei späteren Opus-Zahlen Chopins anzufügen, das war mir wichtig.“

Ewa Kupiec ist eine reife Pianistin geworden, eine Musikerin, die man leicht ernst nehmen kann, wenn man sie auf der Bühne erlebt und ihr zuhört. Die Überzeugungskraft ist bei ihr deutlich zu spüren, ebenso wie die Tiefe, mit der sie in die Musik eindringt. Daher nimmt man der Pianistin auch ihre Interpretationen ab, findet sich wieder in diesen Sichtweisen. Man mag von einer Pianistin, die gerade einmal 45 Jahre alt ist, nicht von Altersweisheit sprechen. Und dennoch findet sich etwas von diesem Element in den Ansichten und im Spiel von Ewa Kupiec wieder. Eben das macht sie als Interpretin so besonders.

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