Pianonews 01 / 2017

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Jacques Rouvier

„Es ist eine Art Spiel ...“

Von: Carsten Dürer

Nach dem Beginn einer durchweg erfolgreichen Pianisten-Karriere, hat sich der Franzose Jacques Rouvier bald schon auf das Unterrichten konzentriert. Er begann bereits 1979 an seiner Alma Mater, an der er seine letzten Studienjahre bei Vlado Perlemuter und Pierre Sancan verbracht hatte, am Conservatoire de Paris, zu unterrichten. Dennoch spielte er immer noch Konzerte und nahm Schallplatten auf. Nach einem Unterrichtsdreieck zwischen Paris, Berlin (Universität der Künste) und Salzburg hat er sich mittlerweile vollkommen auf das Mozarteum in der österreichischen Mozart-Stadt eingelassen. Doch er unterrichtet nicht nur Studenten in seiner Klasse, sondern auch weltweit in Meisterkursen. Daneben tritt er immer noch als Pianist auf. So auch im Oktober vergangenen Jahres in der engagierten Reihe „Internationales Pianistenforum“, das die Hochschule für Musik und Theater Rostock mit vier Konzerten und Meisterkursen im Jahr organisiert. Bereits zum 2. Mal war Rouvier Gast in der norddeutschen Hansestadt, spielte zu Beginn ein Konzert mit einem durchweg schwierigen und romantischen Programm und unterrichtete danach zwei Tage lang die Studenten der Rostocker Hochschule. Wir hörten zu und trafen den mittlerweile 70-jährigen Rouvier zu einem Gespräch.

Er hatte es sich nicht leicht gemacht: Nachdem Jacques Rouvier einen Tag vor seinem Konzert mit dem Auto aus Salzburg nach Rostock gefahren war, setzte er sich im Barocksaal der Stadt an den Flügel und spielte als Erstes zwei Orgelchoräle von Bach/Busoni. Und schon beim ersten der beiden, „Nun komm’ der Heiden Heiland“, konnte man hören, was die Qualität von Rouviers Spiel ausmacht: Tonkontrolle, ein Überblick über die Form und das Wissen um die Gestaltung des Orgelwerks auf dem Klavier. Ohne Pause ging er nach diesen beiden Einleitungswerken in drei Nocturnes von Chopin über – mit Feinsinn und dem Gestus von Dramatik, der diesen Werken innewohnt. Mit Franz Liszts „Funérailles“ ging es weiter, wiederum ohne Pause, in einen wirklichen Trauermarsch, denn dieses Werk wurde nach einem vereitelten Ungarn-Aufstand geschrieben. Doch er vernachlässigte auch nicht die in diesem Werk auszudrückende Wut und den Aufschrei. Dann Ravel: „Oiseaux Tristes“ und „Alborada del Gracioso“ aus dem Zyklus „Miroirs“. Auch wenn man sich vielleicht das spanische Kolorit noch stärker herausgestellt gewünscht hätte, brillierte er auch in diesen ihm so nahen Repertoirestücken. Nach der Pause dann Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, die er eindringlich nachzeichnete. Als Zugaben dann Debussy: Und hier ist Rouvier endgültig in seinem Element, findet eine so natürliche Tonsprache, dass man erstaunt ist, wie simpel und dennoch überzeugend die schwer zu fassenden Werke von Debussy sind.
Am Folgetag dann 12 Studenten, die er am Stück unterrichtete. Rouvier ist ein Energiebündel, scheint seine Energie tatsächlich aus den vorgetragenen Werken der Studenten, aus deren Willen, etwas zu verbessern und zu lernen, zu ziehen. Und immer findet er passende Worte, seien diese der formalen Anlage, der Klanggebung, dem Tempo oder der genaueren Dynamik gewidmet. Und die Studenten kommen wirklich mit unterschiedlichs-ten Werken zu ihm: mit Beethoven-, Schubert- und Haydn-Sonaten, mit Messiaen, mit Klavierkonzerten von Schumann und Beethoven und mit Chopin. Eigenartig, dass sich anscheinend keiner traut, mit ihm Debussy zu erarbeiten …
Wir aber wollen mehr über den 1947 in Marseille geborenen Jacques Rouvier erfahren, wollen wissen, wie seine Entwicklung vonstatten ging und wie er heute über die Klavierwelt denkt.

PIANONews: Wenn man sich über Sie informiert, über Ihren Werdegang, dann bleiben doch einige Fragen offen … Sie wuchsen anscheinend in einem musikalischen Elternhaus auf. Waren Ihre Eltern auch Musiker?

Jacques Rouvier: Mein Vater war ein professioneller Musiker, er spielte Horn und studierte in Marseille am Conservatoire. Er spielte im Opernorchester für fünf Jahre. Aber er arbeitete auch in einer Bank, was er den Rest seines Lebens tat. Als er dann 75 Jahre alt war – vielleicht auch ein wenig wegen mir – kam er zurück zum Horn und nahm sich ein gutes Jahr, um seine Lippen wieder in Form zu bringen – und meine Mutter sperrte ihn im Bad ein [er lacht herzlich auf]. Doch er spielte dann etliche Kammermusikwerke sehr gut. Meine Mutter war keine Musikerin, sang aber viel und hatte eine wirklich schöne Stimme. Mein Großvater war ein Jazz-Musiker und so lauschte ich schon diesen Rhythmen, als ich noch im Mutterleib war. Meine Mutter sagte mir dann, dass dieser Rhythmus für mich genau der richtige war. [er lacht]

PIANONews: Sie wuchsen also intensiv mit Musik auf …

Jacques Rouvier: Ganz genau.

PIANONews: Hatten Sie ein Klavier zu Hause, so dass Sie ganz natürlich Kontakt zu diesem Instrument bekamen?

Jacques Rouvier: Ja, wir hatten ein Klavier. Aber: Nur einige Monate, bevor ich mit dem Klavierspiel begann, erhielt ich von meiner Tante zu Weihnachten ein kleines Akkordeon. Kein Spielzeug, aber ein recht kleines Instrument. Ich erinnere mich noch genau daran, ich war vier Jahre alt. Nach nur zwei Tagen konnte ich mit der richtigen Rhythmik all die Melodien spielen, die ich im Radio hörte. Das war ein Akkordeon mit zweieinhalb Oktaven und ein paar Harmonieknöpfen auf der anderen Seite. Als meine Eltern das hörten, waren sie vollkommen schockiert und entschieden sofort, mir Klavierstunden geben zu lassen.

PIANONews: War das von Anfang an ein professioneller Unterricht?

Jacques Rouvier: Ja, sofort. Eine alte Dame mit schweizerisch-deutscher Abstammung war meine Lehrerin. Sie war sehr gut, brachte mir auch ein wenig andere Dinge wie Mathematik bei. Ich arbeitete vielleicht zwei oder drei Jahre mit ihr und ging dann auf das Conservatoire in Marseille. Da war ich 10 Jahre alt.

PIANONews: Und dass Sie bereits mit 14 Jahren Ihre Studien in Marseille abschlossen, stimmt?

Jacques Rouvier: Ja. Ich schloss meine Studien mit 14 Jahren mit einem Abschluss, den man damals 1. Preis nannte, ab. Ich hatte extremes Glück, da ich einen Theorie-Lehrer hatte, der zu seiner Zeit absolut modern war. Wir arbeiteten die Dinge so verrückt auf, so schwierig. Er war aber auch mein privater Klavierlehrer. Er war es auch, der mich mit dem ‚Virus‘ für Modelleisenbahnen, in die ich bis heute verliebt bin, infiziert hat. Denn er lud mich immer zu Weihnachten mit seinem Sohn ein, mit seiner Modelleisenbahn zu spielen. Nun, er gab mir all das wichtige Handwerkszeug für Musiktheorie mit. Daneben war er ein guter Musiker, spielte die Pauken im Orchester in Marseille. Mein offizieller Lehrer im Conservatoire war auch gut, aber dieser Mann war eine Offenbarung. Mit 14 Jahren schloss ich also in Marseille ab und ging nach Paris, wo ich das im Conservatoire aufgenommen wurde. Das war damals ein kleines Wunder, da es einen großen Niveau-Unterschied zwischen Paris und dem Rest in Frankreich gab. Ich ging also auf das Conservatoire in Paris, erhielt meinen Preis mit 18 Jahren. Mit 16 Jahren ging ich zu meinem ersten internationalen Wettbewerb – nicht weil ich es wollte, sondern weil mein Lehrer sagte, ich solle ihn mitmachen. Es war der Jeunesse Musicales de France International. Der Wettbewerb fand auf Mallorca statt und ich erhielt den ersten Preis. Ich beendete danach also meine Studien bei Aline van Barentzen, die gerade für die Musik der Klassik ein gutes Gespür hatte und bei Leschetitzky studiert hatte … Natürlich unterrichtete sie ein wenig im alten Stil … aber sie war eine gute Pianistin und hatte Sinn für Stil. Ich habe allerdings sehr viel von ihrer Assistentin, die eine Studentin von Alfred Cortot und Yves Nat war. Nachdem Aline van Barentzen aufhörte zu unterrichten, richtete man in Paris das Postgraduierten-Studium ein. 1966 kam ich in diesen Studiengang, hatte zwei Jahre Unterricht bei Vlado Perlemuter – und bei ihm habe ich sehr viel gelernt. Und vielleicht auf die Weise, wie Ravel gelernt hatte. Er hatte über Gabriel Fauré gesagt: Ich lerne mehr von dem Künstler als von dem Lehrer. Manches Mal, wenn ich nicht allzu gut vorbereitet in den Unterricht kam, bat ich ihn unter dem Vorwand, dass ich einige Chopin-Mazurken auswählen müssen, einige für mich zu spielen. Und dann spielte Perlemuter für eine Stunde – und das war unglaublich, auch bei Bachs Werken. Er war ein so tiefer und authentischer Musiker … Als auch er in den Ruhestand ging, hatte ich zwei bis drei Jahre Unterricht bei Pierre Sancan.

PIANONews: Da waren Sie also Anfang 20. Richtig?

Jacques Rouvier: Ja, ich hatte Unterricht bei Sancan zwischen 20 und 24. Also erhielt ich meinen Abschluss mit dem 1. Preis, als ich 18 Jahre alt war, 1965, dann erhielt ich 1966 den Kammermusikpreis. Ich spielte sehr viel Kammermusik, und wir hatten dieses wunderbare Trio mit dem Geiger Jean-Jacques Kantorow und dem Cellisten Philippe Muller. Unglücklicherweise existiert dieses Trio nicht mehr, da Kantorow nicht mehr spielen wollte, obwohl er es gekonnt hätte. Wir hatten im vergangenen Jahr noch ein Konzert in Paris … und es war sehr gut. Aber wir hatten dieses Trio für 35 Jahre. Für mich ist es immer noch ein wenig traurig, dieses Repertoire nicht mehr zu spielen.


Das vollständige Interview lesen Sie in Ausgabe 1-2017 von PIANONews …

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