Pianonews 05 / 2023

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Aus Liebe zur Heimat

Violina Petrychenko

Von: Marco Frei

Nur wenige setzen sich derart intensiv und beharrlich mit dem ukrainischen Musikerbe auseinander wie Violina Petrychenko. Die gebürtige Ukrainerin lebt in Deutschland und hat seit 2014 viele Werke vergessener Komponisten auf CD dokumentiert, darunter zahllose Ersteinspielungen. Nun ist ihre vierte CD erschienen: „Mrii – Ukrainische Hoffnung“. Was ist ihre Mission? Wir trafen sie in Stuttgart, wo sie im Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg konzertierte.

PIANONews: Frau Petrychenko, wie geht es Ihren Eltern in Saporischschja?

Violina Petrychenko: Den „Umständen entsprechend“, wie man so schön sagt. Sie sind vorsichtig optimistisch. Meine Mutter war zwei Monate bei mir in Köln und wollte wieder zurück nach Hause. Mein Vater kann allein die Frage nicht mehr hören, wann er kommt. Er bleibt zu Hause, weil er sagt: Wie kann ich in dieser schweren Zeit mein Heimatland verlassen? Er ist sehr patriotisch. Mein Vater musiziert, arrangiert, dirigiert, arbeitet eifrig mit seinem Orchester für ukrainische Volksmusik. Er hat das sein ganzes Leben gemacht und möchte damit nicht aufhören. Das finde ich mit 73 Jahren ganz wunderschön. Mein Bruder und ich, wir waren anfangs total fertig, dass sie dort vor Ort bleiben wollten. Jeden Tag haben wir versucht, sie zur Ausreise zu überreden. Sie möchten einfach zu Hause bleiben, und das müssen wir akzeptieren.

PIANONews: Das klingt sorgenvoll.

Violina Petrychenko: Ich glaube, dass meine Eltern selber gar nicht wissen, wie belastend die Situation für sie ist – physisch und psychisch. Ich war vier Tage bei ihnen, auch um zu konzertieren. Als ich wieder bei mir zu Hause in Köln war, bin ich nachts aufgewacht, weil es stark geregnet hatte. Ich dachte, dass sei ein Raketenangriff, und ich war nur vier Tage dort. Wie ergeht es Menschen, die jetzt schon über anderthalb Jahre mit dieser Situation leben?
PIANONews: Sie haben sich schon früh mit ukrainischer Musik beschäftigt. Durch den Krieg ist dieses Thema wichtiger geworden. Was sagen Sie Menschen, die das nicht mehr hören können?

Violina Petrychenko: Ich kann das verstehen, aber auf mich bezogen ist es ja keineswegs so, dass ich nur diese Musik pausenlos zelebriere. Außerdem beschäftige ich mich mit ukrainischer Musik, um die andere, unbekanntere Seite meines Landes zu zeigen. Es geht die ganze Zeit nur um Krieg und Politik. Das ist sehr wichtig, aber: Die Kunst und Kultur der Ukraine sind weitestgehend unbekannt. Ich möchte aufzeigen, dass wir ein Land sind mit einer langen Geschichte, das kulturell viel zu bieten hat – auch nach dem Krieg.

PIANONews: Manche Ihrer Kollegen scheinen gegenwärtig auf einen PR-Zug aufzuspringen, um mit ukrainischer Musik Aufmerksamkeit für sich selber zu erzielen. Ich finde das furchtbar zynisch.

Violina Petrychenko: Ich kann Ihren Unmut sehr gut verstehen. Mich ärgert es genauso, wenn heute plötzlich alle möglichen Leute auf dieses Thema aufspringen – als ob sie aus dem Leid der Menschen Kapital schlagen wollen. Für mich ist das absolut inakzeptabel. Viele Musiker „entdecken“ erst jetzt dieses Feld für sich, wollen die Musik der Ukraine bekannter machen, aber wo waren sie vor acht Jahren und vor der Annexion der Krim? Da fällt es mir schwer, eine echte Mission zu erkennen – ein Herzensanliegen.

PIANONews: Sie selber haben sich bereits am Musikgymnasium Saporischschja, wo Sie Klavier und Musikwissenschaften studiert haben, mit ukrainischer Musik beschäftigt. Die Beihefte zu Ihren CDs verfassen Sie selbst.

Violina Petrychenko: Nach meinen Studien war es mein Wunsch, die Musik aus der Ukraine auch selber gezielt zu pflegen und zu fördern. In meiner Heimat hatte ich das als Studentin bereits gemacht, aber in Deutschland, wo ich seit 2007 lebe, kannte niemand diese Musik. Also habe ich begonnen, in Konzerten auch Werke von Viktor Kosenko zu spielen, und dann kam 2014 die Annexion der Krim. Bei der Idee, Kosenko mit Alexander Skrjabin zu koppeln, ging es mir nicht um politische Fragen, sondern vor allem darum, diese Musik im Westen bekannter zu machen. Gleichzeitig ist das eine Verbindung zu meinem Land, die mir selber in der jetzigen Situation viel Energie, Ruhe, Zuversicht und Hoffnung gibt – dass alles gut wird irgendwann.

Das vollständige Interview mit Violina Petrychenko lesen Sie in der Ausgabe 5-2023 von PIANONews.

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