Pianonews 04 / 2023

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Es ist die Aufgabe unserer Zeit diese Musik zu spielen

Frank Dupree
... und die Klavierkonzerte von Nikolai Kapustin

Von: Carsten Dürer

Das letzte Mal haben wir den deutschen Pianisten Frank Dupree 2015 in PIANONews vorgestellt. Damals war er mit seinen 23 Jahren noch ein Newcomer, den noch nicht so viele Klavierfreunde kannten. Mittlerweile hat sich in seiner Karriere viel getan, Er hat nicht nur sein Repertoire erweitert, sondern hat sich auch anderen Genres wie dem Jazz zugewandt und dirigiert immer häufiger. Seit einiger Zeit beschäftigt er sich zudem intensiv mit dem Klavierwerk von Nikolai Kapustin, vor allem mit dessen Klavierkonzerten. Wir trafen Frank Dupree am Vormittag eines Konzerts, das er im Dortmunder Konzerthaus gab. Er leitete die Dortmunder Philharmoniker mit eher unbekannten Werken von Paul Dukas, Claude Debussy und Darius Milhaud. In der zweiten Hälfte des Programms standen dann Werke von Miles Davis und Gil Evans für Trompete und Orchester auf dem Programm. Auch hier ein Brückenschlag zwischen unterschiedlichen Genres.

Programm als Experiment

Sofort kommen wir auf das Programm der beiden Konzerte in Dortmund zu sprechen. Wie kam der erste Abend beim Publikum an? „Ja, da habe ich ein Experiment gewagt mit den Préludes von Debussy. Ich habe mit dem 1. Prélude „Danseuses de Delphe Lent et grave“ solo am Klavier. Nach den ersten sechs Takten hat dann das Orchester genau an dieser Stelle fortgesetzt. Das ist auch für das Publikum spannend.“ Die Orchesterbearbeitung stammt von dem englischen Komponisten Colin Matthews. „Das habe ich dann kombiniert mit Bearbeitungen von Hans Zender, der ja auch mein Dirigierprofessor zwischen 16 und 18 war. Deshalb kenne ich auch diese Bearbeitungen von ihm. Diese beiden Versionen wurden dann immer wieder kombiniert mit komplett solistisch von mir gespielten Préludes.“ Der Flügel steht in diesem Fall – denn Dupree dirigiert und spielt – mit dem Ende zum Orchester hin, ohne Flügeldeckel. Dupree sagt: „Das funktioniert zum Glück in diesem Saal klanglich gut“, und deutet damit an, dass der Flügelklang in anderen Sälen dann leicht verloren geht. Selbst Darius Milhauds als Cinéma-Fantaisie ausgewiesenes Orchesterwerk „Le bœuf sur le toit“ hat Dupree verändert, denn er hat noch ein Schlagzeugset hinzugefügt: „Ich fand, der Groove des lateinamerikanischen Rhythmus setzt bei Milhaud immer wieder einmal aus. So hat mein Schlagzeuger aus meinem Jazz-Trio, Obi Jenne, diesen Part übernommen. Und in der zweiten Hälfte gab es dann Miles Davis’ „Sketches of Spain“, komplett ohne Streicher. Das Gute ist, dass der Trompeter Simon Höfele das wirklich gut gestalten kann.“ Er erwähnt noch, dass dieses von Miles Davis für Schallplatte 1960 aufgenomme Programm niemals von Davis selbst live gespielt wurde. „Das hat natürlich mit Klassik gar nichts mehr zu tun, aber die Stimmung und die Atmosphäre ist unglaublich – etwas Losgelöstes. Es ist selten, dass etwas so gut klappt, wenn so viele Leute auf der Bühne sind, dass man wirklich sagt: Das war Klasse!“
Hat Dupree das Gefühl, dass zu solchen Konzerten innerhalb einer Abonnement-Reihe auch ein anderes Publikum kommt? „Ja. Wir haben nach dem Konzert im Foyer des Konzerthauses mit unserem Jazz-Trio noch eine Jam-Session gespielt. Und bei den Gesprächen danach kamen Leute an und sagten, dass sie speziell für Miles Davis’ „Sketches of Spain“ gekommen sind, da sie es noch nie live gehört hatten. Das bedeutet, es gibt Kenner, die dann speziell für solche Werke kommen. Das ist toll. Und trotzdem sitzen diese Leute da und hören sich auch den Debussy an.“ Er hat lange an diesem Programm gearbeitet, sagt er. „Ich hoffe immer, dass solch ein Programm dann auch eine Klangerfahrung für das Publikum, eine Erfahrung mit Musik darstellt, die besonders ist.“

Experimente sind nicht immer gewünscht

Doch diese Art von experimentellen Konzerten ist nicht der alleinige Anspruch von Dupree, oder? „Auch deshalb nicht, da es oftmals nicht gewünscht ist. Auch manches Mal, da es oftmals wegen der Besetzung nicht geht. Wenn ein Kammerorchester anfragt, ein Programm ohne Jazz-Trio, ohne Trompete und Bläser zu gestalten, dann muss man schauen, was möglich ist. So viel es im Repertoire auch gibt, man muss sehen, was man machen kann, wenn die Bedingungen von außen vorgegeben werden.“ Also gibt es auch durchweg „klassische“ Programme von Dupree. „Ja, in jedem Fall“, ruft er fast aus. „Ich spiele bald Beethovens 3. Klavierkonzert, kombiniere das dann mit Britten und neuen Werken für Kammerorchester. Zu-dem werde ich dann auch ein Schlagzeugduo spielen.“ Das geht, da Dupree ursprünglich Schlagzeug ge-lernt hat, bevor er sich erst dem Klavier und dann dem Dirigieren zugewandt hat. „Es wird also schon immer wilder und verrückter mit den Programmen“, gibt er lachend zu.
Momentan scheint es so, dass viele junge Interpreten und Musiker nach einem eigenen Weg suchen, ohne dabei die großen Komponisten der Vergangenheit zu negieren. „Das darf man ja auch. Man muss vielleicht nicht in jedem Konzert einen Mozart oder Beethoven integrieren, da es halt Komponisten wie Milhaud oder Dukas gibt. Und vor allem, weil es Stücke gibt, die keiner spielt und die nirgendwo auf die Bühne kommen. Die Kunst liegt darin, sowohl das Orchester sowie die Veranstalter zu überzeugen: Und da sind wir dann auch bei Nikolai Kapustin …“

Nikolai Kapustin

„Für mich ist Kapustin wirklich die Entdeckung – auch wenn ich ihn ja nicht entdeckt habe. Aber in Europa bin ich momentan einer der wenigen – wenn nicht der Einzige –, der seine Klavierkonzerte aktiv im Konzert spielt. Ich weiß, dass es gute Musik ist. Das 4. Klavierkonzert habe ich nun auch schon zehnmal gespielt, und das Publikum ist danach begeistert.“ Das ist ja auch schon bei den Solo-Kla-vierwerken der Fall: Es erklingt Musik, die so keiner erwartet – es ist eine neue Erfahrung. „Ja, wir haben vor einem Monat das 4. Klavierkonzert in Chemnitz gespielt. Es war das letzte Werk auf dem Programm – zuvor hatten wir einige europäische Erstaufführungen gespielt, es war also ein sehr durchmischtes Programm. Und nach Kapustin mussten wir drei Zugaben spielen, da das Publikum uns nicht mehr von der Bühne ließ. Diese Energie, die in der Musik Kapustins steckt, überträgt sich um ein Vielfaches auf das Publikum. Das erzähle ich natürlich auch jedem Veranstalter. Aber dennoch ist Kapustin kein Name, mit dem man den Konzertsaal sofort ausverkauft.“

Das gesamte Porträt von Frank Dupree lesen Sie in der Ausgabe 4-2023 von PIANONews.

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