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Das Besondere objektiv beurteilen können

Liebe Klavierfreundinnen und -freunde,

haben Sie sich jemals darüber Gedanken gemacht, ob es tatsächlich Menschen gibt, die das Besondere an einem Klavierabend beurteilen können? Die objektive Meinung wird da immer hochgehalten – aber gibt es die überhaupt? Nein, sie kann es eigentlich nicht geben, da wir uns nicht in der Physik befinden, in der bis zu einem recht hohen Grad Messergebnisse zur Bestätigung einer These führen können. Wir bewegen uns aber in der Musik und bei ihrem Vortrag immer im subjektiven Rahmen. Daher sind in der Regel auch in der Presse Artikel mit einem Namen versehen, um kenntlich zu machen, dass es eine subjektive Meinung ist, die da wiedergegeben wird. Natürlich kann und sollte man von Pressevertretern verlangen oder erwarten, dass sie aufgrund ihrer hohen Erfahrungen in einem bestimmten Bereich eine objektivere Meinung haben können, besser abzuwägen verstehen, vergleichen können aufgrund hohen Hintergrundwissens. Aber dennoch ist es immer noch eine subjektive Meinung, die da kundgetan wird.

Dennoch stellt sich mir oftmals die Frage, selbst für mich selbst, wie ich das wirklich Besondere einer Aufführung herausfinden kann, vor allem, wenn sie „anders“, gegen jegliche Tradition erfolgt? Nun, sicherlich spielt der Notentext erst einmal eine grundlegende Rolle, denn dieser sollte immer eine Grundlage – auch für den Interpreten – spielen. Dann ist es sicherlich das Wissen um die möglichen Freiheiten der Interpretation. Bei dieser Beurteilung hilft einem letztendlich auch der Notentext, aber auch das Hintergrundwissen, das Wissen darum, in welchem Umfeld, in welchen Zusammenhängen und unter welchen musikgeschichtlichen Aspekten ein Werk geschrieben wurde. Ein Werk von Bach kann sicherlich freier interpretiert werden, als eines von Bartók, der seine Werke mit sehr genauen Angaben versehen hat. Und dann ist da immer noch alles andere, der Anschlag, die Agogik, all das, was ein Interpret in seine Sicht auf ein Werk hineinsteckt. Wenn es dann doch anders ist, vollkommen anders, als es die Hör- und Interpretationsgewohnheiten sind, also, wenn die Erwartungen durchbrochen werden – ist es dann nur eigenwillig, extravagant, oder schon – im positiven Sinne wirklich besonders. Das herauszufinden, bedarf es der Hinterfragung der eigenen Hörgewohnheiten, der eigenen Vorstellungen. Man muss frei genug sein, um auch andere Meinungen gelten zu lassen. Dann erkennt man manchmal, dass eine eigenwillige Interpretation auch wirklich besonders ist. Aber man sollte vorsichtig sein und man sollte sich und seine festgefahrene Meinung beständig hinterfragen und kritisch beurteilen. Nur auf diese Weise kann man eine Art von Objektivität walten lassen – die letztendlich aber immer noch subjektiv ist.

Allerdings sollte man nicht allein der Masse folgen, etwas gut finden, nur weil andere es auch so sehen. Das Phänomen sehen wir viel zu häufig in Konzerten mit Interpreten, die einen Bekanntheitsgrad erreicht haben, bei dem die Interpretation aufgrund des Gusto der Person nicht mehr hinterfragt wird. Davor sollte man sich schützen.

20 Jahre PIANONews – Rückblicke/Ausblicke

Im September 1997 erschien das erste Heft von PIANONews. Das war kein Paukenschlag, aber ein Beginn. Mit viel Enthusiasmus wollten wir die Welt des Klaviers in einem Magazin unseren Lesern näherbringen. Damals gab es nichts Vergleichbares und längst bestehende Magazine im Ausland hatten nach und nach ihr Erscheinen eingestellt, sei es „Piano:Time“ in Italien oder „Piano & Keyboards“ in den USA. Seither ist vieles passiert, bei uns wie auf dem Markt. Immer mehr kostenfreie Verteilmagazine sind auf dem Markt erschienen, die dem Publikum einen Blick in die Welt der klassischen Musik suggerieren. Doch letztendlich sind sie alle von einem heutzutage grassierenden PR-Journalismus getrieben, der in fast allen Bereichen der Medienwelt Einzug gehalten hat. Wir wollten das nie, sondern verfolgten aus Spaß an der Sache weiterhin unsere Linie des realen Journalismus, in dem man auch seine Meinung kundtun kann. Das eckte oftmals an und hat weder alle Leser noch die Firmen immer glücklich gemacht, über die wir berichteten. Doch genau darum geht es uns: die Meinungsfreiheit.

Kaum ein Pianist, der oftmals auftrat und die Interpretationsgeschichte auf irgendeine Art und Weise bereichert, der in den vergangenen 20 Jahren nicht einmal von uns interviewt oder porträtiert wurde. Die Zahl ist kaum zu übersehen. Oftmals waren uns junge Pianisten bereits aufgefallen, bevor sie alle Welt auf der Bühne erleben konnte, seien es Pianisten wie Lang Lang oder Fazil Say, die bereits früh das Cover von PIANONews zierten. Auch dies betrachten wir als unsere Aufgabe: am Puls der Zeit diejenigen aufzuspüren, von denen wir denken, dass sie der Welt des Klaviers etwas hinzuzufügen haben, die in der Welt des Klaviers etwas sagen. In unserer ersten Ausgabe veröffentlichten wir ein Interview mit dem Pianisten Arcadi Volodos, den damals noch kaum jemand kannte. Mittlerweile haben wir ihn noch zwei Mal interviewt, nach 10 und nach 20 Jahren seit dem ersten Gespräch. Das sind zeitabstände, die es auch einem interessierten Publikum ermöglichen, den Weg eines Pianisten mit zu verfolgen. Doch es macht kaum Sinn für uns, bei jeder neuen Aufnahmen-Veröffentlichung ein weiteres Gespräch über das CD-Programm zu veröffentlichen.

Wir versuchen allerdings das Thema „Klavier“ so breit wie möglich zu betrachten. Udo Jürgens, Pal Kuhn oder Paolo Conte waren ebenfalls unsere Gesprächspartner, Musiker, die ihre Musik ohne das Klavier nicht ausleben könnten.

Und dann ist da natürlich das Instrument selbst, das uns interessiert, die Entwicklung in den Firmen, die neuen Instrumente, die auf den Markt kommen, seien es Konzertflügel, Klaviere für den Hausgebrauch oder aber Digital-Pianos. Das erachten wir ebenso als unsere Pflicht wie das kritische Betrachten neuer Notenausgaben. Und so gibt es kaum einen Bereich der Klavierwelt, den wir bislang noch nicht betrachtet haben. Aber diese Welt verändert sich auch beständig, befindet sich gerade heute, in der Globalisierung immer mehr im Umbruch.

In Zeiten, in denen jeder über das Internet frei zugängliche Informationen erhalten kann, versuchen wir daher Inhalte zu generieren, die man so nur in PIANONews lesen und nacherleben kann. Auf diese Weise haben wir es 20 Jahre lang geschafft, frei und ohne Einflussnahme ein immer umfangreicheres Magazin aufzubereiten.

Wir alle haben noch immer so viel Spaß an den Themen, die wir erarbeiten, wie am Beginn. Und das wird sich wohl auch kaum mehr ändern, wenn man einmal tiefer in die faszinierende Welt des Klaviers, der Musik und seiner Interpreten eingetaucht ist. Entsprechend hoffen wir, dass wir auch weitere 20 Jahre genügend spannende Themen finden, damit unsere Leser nicht müde werden, unser Heft zu lesen.

Carsten Dürer

P.S.: Gerne hören wir Ihre Meinung zu unserem Magazin!

Live oder Studio

Liebe Klavierenthusiastinnen und -enthusiasten,

schauen Sie, wenn Sie eine CD einlegen, auch manches Mal in das Impressum, um zu erfahren, wo, wann und auf welchem Instrument die Klavieraufnahme entstanden ist? Fragen Sie sich in solchen Momenten nicht auch einmal, wie es da wohl aussieht, wo man die Aufnahme vorgenommen hat? Nun, es gibt sogenannte Studio-Aufnahmen und Live-Aufnahmen. Doch worin unterscheiden die sich eigentlich? In der heutigen Welt der Digital-Technik sollte man sich nicht zu viel Hoffnung machen, dass es wirklich noch Live-Einspielungen gibt. Warum? Nun, heutzutage sind es die Hörer wie die Künstler gewohnt, dass es keine Fehler auf einem Tonträger gibt, weder in pianistisch-technischer Hinsicht noch im Bereich der Interpretation. Daher wird „nachproduziert“. Das bedeutet, dass in der Regel (und selbst oftmals bei später als live gesendeten Rundfunkaufnahmen) nach einer Aufführung und nachdem das Publikum den Saal verlassen hat, die Stellen, die dem Künstler nicht perfekt genug vorkamen, korrigiert werden. Dass der Klang anders sein könnte, als mit Publikum im Saal, lässt sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten leicht korrigieren.

Ist das schlimm? Auf der einen Seite vielleicht schon, da dieselben Mittel angewendet werden, die auch bei Studio-Aufnahmen zum Tragen kommen: Schnitte. Auf der anderen Seite aber durchaus verständlich, denn schnell wird abgeurteilt, dass ein Künstler nicht perfekt genug spielt, wenn Fehler hörbar sind. Das verzeiht man in der Regel auf >Tonträgern nur den großen Namen früherer Tage.

Wenn im Studio zahllose Takes von einer Phrase aufgenommen werden, um diese dann später in einen Durchlauf eines Stücks einzufügen, ist das auch nicht verwerflich. Immerhin ist das Medium „Aufnahme“ zu einem Kunstprodukt für die Ewigkeit geworden: Der Künstler will eine Momentaufnahme seiner Sichtweise auf ein oder mehrere Werke hinterlassen. Und heutzutage wird keine Aufnahme wirklich vergessen, sie ist in der digitalen Welt für immer verfügbar. Da versteht es sich von selbst, dass der Aufnehmende will, dass alles perfekt ist.

Und dennoch gibt es dann die Momente, in denen man in historische Aufnahmen zur Hand nimmt, bei denen das Publikum hustet, in denen man die Atmosphäre des Konzerts „miterlebt“. Das ist so mitreißend, dass man sich in diesen Moment des Konzerts hineinversetzt fühlt. Heutzutage kann dies nur noch im Saal selbst erlebt werden, nicht aber auf einem Tonträger. Diese beiden Welten haben sich auseinandergelebt – das ist schade aber verständlich zugleich.

Das Einfache neben der Hochkultur

Liebe Klavierfans,

es ist schon etwas bedenklich wie erstaunlich, wenn man sich Trends bei den Labels in den vergangenen Monaten anschaut. Wir waren es ja schon gewohnt, dass Ludovico Einaudi als Klassiker bezeichnet wird und dass Ryuichi Sakamoto ein Star besonders in Asien ist. Nichts ist gegen diese Musik zu sagen, aber sie auf die fast gleiche Stufe wie die von Beethoven, Mozart, Rachmaninow oder selbst eines John Adams zu stellen ist doch ein wenig überheblich, oder? Die Einfachheit der Schreibweise scheint ein Phänomen der Zeit zu sein, eines, nach der ein breites Publikum giert. Das man zum einen daran liegen, dass die in Patterns (sich wiederholenden Phrasen) geschriebene Musik eine gewisse Ohrwurm-Eingängigkeit besitzt, zum anderen auch daran, dass man die meist auch sofort als Noten erhältlichen Werke recht leicht selbst nachspielen kann, ohne sie in der Tiefe ausloten zu müssen. Doch ist das klassische Musik. Ist der Begriff der „klassischen Musik“ nicht auch dadurch definiert, dass es Musik ist, die sich über Jahrzehnte hält, die eine gewisse Zeitlosigkeit in ihrer Aussagekraft besitzt?

Doch das Publikum entscheidet letztendlich, was erfolgreich ist und was nicht. Die Einfachheit von Noten und Musik scheint erfolgreich zu sein. Aber welche Art von Publikum und Klaviermusikliebhabern ist dies? Sind es nicht gerade diejenigen, die sich bislang vielleicht nur wenig mit Klaviermusik und ihrer oftmals schönen Komplexität beschäftigt haben? Sind es nicht gerade die Unterstützer dieser Musik, die nach „neuen Zielgruppen“ schielen? Die Idee klassische Musik auch dem Publikum schmackhaft zu machen, das bislang nur Pop-Musik konsumierte, ist nicht gerade neu. Doch muss diese Verwässerung überhaupt sein, nur um ein breiteres Publikum anzusprechen? Auch in früheren Zeiten hat kein breites Publikum die Werke der großen Meister rezipiert, sondern hörte eher die Volksweisen und die Gassenhauser auf der Straße, in Kneipen und an anderen stellen. Allein die Kirchenmusik war allen näher als vielleicht die Musik in den oftmals noch privat organisierten Konzerten.

Nun geht man noch einen Schritt weiter. Die großen Labels schwingen sich auf, die Einfachheit in ihr Portfolio aufzunehmen:
So wird Joep Beving mit seinem Album „Prehension“ bei der Deutschen Grammophon promotet und Riopy unterschreibt bei Warner Classics einen Vertrag. Wenn man sich die Musik dieser „Pianisten“ anhört, ist man erstaunt, dass einer wie Beving überhaupt auf dem Renommee-Label Deutsche Grammophon erscheint, letztendlich neben Künstlern wie Grigory Sokolov, Maurizio Pollini oder auch Daniil Trifonov. Doch auch hier regieren andere Gesetze. Denn Beving hatte es geschafft, dass er in den sogenannten „sozialen Netzwerken“ viele Fans an sich binden konnte. Das bedeutet Publikum und letztendlich auch eine breite Käuferschicht von Aufnahmen. Also springt man seitens der Labels auf diesen Zug auf, um die Aufnahmen breit zu streuen, letztendlich, um mehr Geld machen zu können. Qualität spielt dabei erst einmal eine untergeordnete Rolle. Doch was passiert dadurch? Letztendlich wird einer breiten Masse vorgegaukelt, dass diese Musik und dieses Klavierspiel ebenso viel Bedeutung hat, wie das anderer Komponisten und Pianisten. Das ist dann doch tragisch. Und es hat nichts mit dem Elfenbeinturm-Denken zu tun, gewisse Bereiche der Hochkultur für die zu belassen, auch zu schützen. Neues ist gut – aber nicht immer ist Neues auch leicht konsumierbar. Und es gibt zahlreiche gute junge Komponisten, die wunderbare Klaviermusik schreiben, die nichts mit der Unzugänglichkeit der Nachkriegsjahre zu tun hat, sondern durchaus eingängig ist und dennoch komplexe Tiefe besitzt. Doch diese Musik ist anscheinend nicht publikumswirksam genug, um von den großen Labels berücksichtigt zu werden.

Ohne das Spiel der beiden oben genannten Pianisten zu schmälern, ist es dennoch eine Musik, die schnell vergänglich sein wird, ebenso wie sie schnell geschrieben und erlernt ist. Dieses Wissen ist es, was einen letztendlich dieses Spiel ertragen lässt.

Aufnahmen

Liebe Klavierenthusiatinnen und -enthusiasten,

es ist eine Zeit, in der die Produktion von CDs nun wirklich eine Art von Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mehrere Neueinspielungen auf den Markt kommen. Das liegt auch an der extremen Globalisierung, denn fast keine Einspielung, die im Ausland erscheint, wird nicht auch weltweit vertrieben. Was aber bieten diese Einspielungen? Wie in den Konzerten der bekannten Konzerthäuser sind es auch auf den Einspielungen in aller Regel die Kernwerke des 19. und 20. Jahrhunderts, die uns immer und immer wieder unterbreitet werden. Natürlich gibt es auch die vielen Entdecker unter den Pianisten, die Labels, die sich speziell dem Aufbau von unbekannterem Repertoire verschrieben haben (cpo oder Grand Piano wären da zu nennen). Dennoch stellt man sich alsbald die Frage, wieso auch die unbekannteren und die schnell wieder in den Schatten der Klaviergeschichte versinkenden Pianisten nun ausgerechnet Beethovens Sonaten, Mozarts Werke oder die von Chopin, von Schumann, von Schubert und all den anderen hundertfach von großartigen Interpreten eingespielten Repertoire-Stücken aussuchen, um sie auf CD zu bannen … Nun, wir sind uns im Klaren darüber, dass gerade diese Werke herausfordernd sind, dass sie niemals genügend angehört und immer wieder anders gespielt werden können. Nur dass selten dieses „anders spielen“ auf den CDs erklingt. Wäre es da nicht sinnvoller, man würde ein wenig abseits schauen, nicht einmal zu viel. Denn Bartók, Ligeti, Schulhoff, Clementi oder selbst Haydn sind seltener eingespielt, sind immer noch im Abseits des allgemeinen Interesses. Dies liegt sicherlich nicht an einer minderen Qualität der Werke, sondern einfach daran, dass die meisten Pianisten sich messen wollen, messen an den großen Interpreten. Ohne dieses „sich messen“ wären auch nicht die zahllosen Klavierwettbewerbe zu begreifen, die einen immer größeren Zulauf junger Pianisten haben.

Was bleibt von all diesen Aufnahmen? Nun, es sind persönliche Statements, und diese sollte man nicht gleichgültig beiseite fegen, nur weil man den Interpreten nicht kennt. Man sollte auch nicht der Gefahr unterliegen, dass man sie mit den großen alten Pianisten-Einspielungen vergleicht. Man sollte unvoreingenommen an solch eine Aufnahme herangehen, sich offen dem Hören hingeben. Ob man dann positiv oder negativ überrascht ist, stellt sich doch erst nach ein oder zwei Hör-Sessions heraus.

Das Fazit: Offenheit auch für die Aussagen von Pianisten, die man nicht kennt, die vielleiht niemals im eigenen Dunstkreis live spielen. Nur dann machen all diese Einspielungen Sinn, nur dann ist es Wert, dass die Künstler sich den Strapazen einer Einspielung hingeben.

Das Intuitive bewahren

Liebe Klavierliebhaberinnen und -liebhaber,

wir kennen das alle: Es gibt Momente, da benötigt man kein Hintergrundwissen, keine genauen Anleitungen und dennoch kann man ein Klavierstück sofort erfassen. Es spricht geradezu zu einem, man weiß genau, wie man es zu spielen hat. Das ist extrem selten der Fall, vor allem, wenn man bereits im Erwachsenenalter ist. Bei Kindern erkennen wir dies allerdings weitaus häufiger. Kinder – noch unvorbelastet von vielen äußeren Einflüssen – nehmen Dinge in ihrer Umgebung oftmals intuitiv auf. Und auch beim Klavierspiel geschieht dies. Voraussetzung sind natürlich gewisse technische Grundlagen, um Musik auf dem Klavier darstellen zu können. Aber dann ist es oftmals erstaunlich, dass Kinder bereits im Alter von 10 Jahren die komplexesten Werke so zu spielen vermögen, wie man sie sich vorstellt, dass sie zu klingen haben. Warum ist diese Fähigkeit im Alter nicht mehr möglich?
Schon bei Jugendlichen, die den Wunsch haben, sich vor einem Zuhörer (oder gleich auf einer Bühne) zu produzieren, ist es anders: Oftmals hört man geradezu, dass der eigene Anspruch des Gelingens, die Obsession, sich selbst zu beweisen, diese nur etwas älteren daran hindert, dieselbe intuitive Freiheit und Fantasie am Instrument zu produzieren, wozu dieselben Spieler vielleicht noch vor einigen Jahren selbst in der Lage waren. Das Wissen, der selbstauferlegte Druck alles „richtig“ zu spielen, wird zu einem Hemmnis. Das ist wirklich schade, denn wenn wir uns die kindliche Unbefangenheit bewahren können, dann erfassen wir auch die Werke von Komponisten vielleicht natürlicher und einfacher als wenn wir dann beginnen, mit all unserem Wissen um die Hintergründe, mit all unserer Erfahrung, diese Werke von großen Pianisten gehört zu haben, einen zu starken Druck auf uns selbst aufzubauen. Das Spielerische geht verloren. Doch genau dieses Moment ist es, was den Spaß am Klavierspiel – vor allem auch für die sogenannten Amateure – ausmachen sollte. Man sollte spielerisch an die Musik herangehen, gleichgültig ob die Trefferquote der Noten nun gleich hoch ist oder nicht. Denn man muss sich doch gerade in den eigenen vier Wänden nicht wirklich etwas beweisen, oder? Wenn wir die Musik spielerisch angehen, wenn wir nicht erst versuchen, alles über einen Komponisten und seine Lebens- und Arbeitsumstände zu erfahren, können wir viel unbefangener an die Musik herangehen. Wenn dieses Moment erst einmal gelungen ist, dann können wir einige Schritte weitergehen, können – um das Werk in seiner Tiefe besser auszuloten – lesen und mehr Wissen in das Spiel einfließen lassen. Aber davor steht das Empfinden, das ursächliche „Verstehen“ der musikalischen Aussage, die oftmals weniger verkopft ist, als man sich das im Allgemeinen vorstellt.
Denn die Frage, die sich stellt, ist ja auch: Wollten die meisten Komponisten wirklich immer tiefe Dinge zum Ausdruck gebracht wissen mit ihrer Musik, oder wollten sie vielleicht vielmehr unterhalten oder die Spieler mit dem Niedergeschriebenen emotional bewegen? Oftmals ist es nämlich genau dies: die Musik soll die Empfindungen der Spieler ebenso wie die der Zuhörer direkt und unverhohlen ansprechen. Wenn wir uns dies immer wieder einmal vor Augen führen, wenn wir Musikstücken unvoreingenommen begegnen, dann wird der Zugang wieder auf eine bestimmte Art und Weise kindlich und wir erfassen die Musik intuitiv – und damit auch leichter in ihrer oftmals einfachen Schönheit.

Konzertsäle und das Klavier

Gedanken rund um die ElbphilharmonieNun ist es also vollbracht, die Elbphilharmonie als einer der teuersten Konzertsäle überhaupt, konnte im vergangenen Monat eröffnen. Nun wird geredet über die Akustik, über die Architektur, über alles, nur nicht wirklich darüber, wie der Klang für ein Klavier sich in dem Saal mit 2100 Plätzen und von dem mittlerweile weltweit agierenden auf Konzertsäle spezialisierten Akustik-Guru Yasuhisa Toyota entwickelten Saal anhören wird. Mitsuko Uchida hat die Konzertflügel für die Elbphilharmonie ausgesucht – ok, es sind ausschließlich Steinway & Sons-Flügel der Größe D. Ein paar andere stehen dann auch im Gebäude, aber der Hamburger Hersteller, der weltweit die Vorherrschaft auf den Konzertbühnen hat, war wohl einfach auch „näher dran“ an der Elbphilharmonie. Es wird sich zeigen, wie dieser Saal mit einem Flügel allein klingt. Auch in anderen Konzertsälen, die akustisch brillant geplant sind, hat man später erkennen müssen, dass ein Flügel nicht wirklich so gut seine Kraft im ganzen Saal entfalten kann. Beispielsweise in der Philharmonie in Essen, wo der Klang des Flügels über die Zuhörer, die etwas weiter oben sitzen, ein wenig hinweggeht. Natürlich hört man das Instrument noch. Aber gemeinsam mit einem Orchester wird der Solist oftmals überdeckt, es sei denn, man sitzt in den ersten fünf Reihen.
Toyota hat auch die Musikhalle in Helsinkis „Music Center“ nach dem Weinberg-Prinzip konzipiert. Und auch dort gestaltet sich letztendlich die Akustik als „zu perfekt“: man hört jegliches Geräusch aus allen Ecken, der Saal ist klanglich transparent, aber für Pianisten fast zu brutal transparent, denn man hört einfach auch alle Nebengeräusche des Atmens, des Pedal etc. Und natürlich hört auch der Musiker auf der Bühne alles, was sich im Saal tut, jeden Handtaschen-Reißverschluss, jedes Rascheln mit dem Konzertprogramm. Ähnliches ist auch in der Elbphilharmonie gegeben. Ist das sinnvoll? Ist es überhaupt wichtig, dass man eine neue Architektur entwickelt, wenn man sich die Säle wie den Wiener Musikverein, die Historische Stadthalle in Wuppertal oder andere Säle anschaut, die akustisch zu den besten in der Welt gehören? Nun, man will natürlich mehr Zuhörer unterbringen, ohne dass sie zu weit weg von der Bühne sitzen, wodurch das „Schuhkarton“-Prinzip obsolet wird. Dennoch stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, solche großen Säle zu bauen.
Der kleine Saal der Elbphilharmonie allerdings ist anders. Bei der Eröffnung am 12. Januar 2017 bot das Ensemble Resonanz ein interessantes Programm. Neben einer wunderbaren Uraufführung des für diesen Anlass komponierten Werks des österreichischem Komponisten Georg Friedrich Haas, konfrontierte das Ensemble das Publikum mit den „Sieben letzten Liedern“ von Alban Berg und der „Musik für Streichorchester, Schlagzeug und Celesta“ von Béla Bartók. Der Saal hat konvexe Einkerbungen aus Holz in den Seitenwänden und klingt gut, intim … aber auch etwas trocken, fast zu brutal für die Musiker, die sich hinter keinerlei Hall sicherfühlen können. Der Flügel in diesem Saal (bei Bartóks Musik) klang allerdings etwas fad und matt und keinerlei Klangpotenzial entwickeln. Das ist schade. Und man wird sehen, wie die geplanten solo Klavierabende sich in diesem Saal machen werden.
Sicher ist eines: Jedes Mal, wenn ein neuer Konzertsaal in Deutschland eröffnet wird, sollte man sich freuen, überschäumen vor Enthusiasmus. Denn jeder Saal gibt neue Möglichkeiten, findet neue Zuhörer und neue Freunde – auch der Klaviermusik. Und das kann man nur gut heißen!

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