Pianonews 02 / 2021

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Der Idealist

Piotr Anderszewski

Von: Carsten Dürer

Das Werk von Johann Sebastian Bach zieht sich wie ein roter Faden durch das Schaffen des mittlerweile über fünfzigjährigen polnischen Pianisten Piotr Anderszewski. Auch für seine Aufnahmen kehrt er immer wieder zu diesem Meister des Barock zurück. Doch Anderszewski ist kein Pianist, den man in irgendeine Kategorie stecken könnte, vielmehr ist er ein fast schon in sich gekehrter Musik-Verrückter, der sich jahrelang mit einem Werk befasst, es verinnerlicht, liebt und sich von ihm die Energie absaugen lässt. Mehrfache, längere Auszeiten waren das Resultat. Nun hat er Teile des 2. Bandes des „Wohltemperierten Klaviers“ eingespielt, in einer eigenen Reihenfolge. Wie er dazu kam, was ihn an Bach am meisten begeistert und wann wir wohl das nächste Sabbatical von ihm zu erwarten haben, erfuhren wir in einem Gespräch mit ihm.

Verantwortung des Künstlers

PIANONews: Als wir uns das letzte Mal 2009 zu einem Interview in Köln getroffen haben, war es für Sie eine intensive Zeit des Auftretens. Drei Jahre zuvor hatten Sie ihre erste Auszeit von der Bühne genommen, dann wieder 2011 und später nochmals 2016. Was ist es, das Sie suchen, wenn sie sich von der Bühne zurückziehen?

Piotr Anderszewski: Als erstes versuche ich eine Routine zu durchbrechen, die Routine als auftretender Künstler, der effizient sein muss und alles auf die Konzertbühne zu bringen versucht. Ich denke, wenn man zu sehr in diese Routine verfällt, opfert man vieles, vieles geht verloren. Es ist auch ein Moment, in dem man innehalten sollte, um sich zu fragen: Wie will ich weitermachen, in welche Richtung will ich gehen. Antworten wird man da wahrscheinlich nicht finden. Es geht also nicht darum, dass ich nach sechs Monaten erwarte zu wissen, was ich will. Aber allein die Zeit zu haben, die richtigen Fragen zu stellen, ist wichtig. Wenn man sich im „Konzert-Modus“ befindet, ist man so beschäftigt … jedenfalls für mich ist es so zehrend, effizient zu sein, alles möglich zu machen, organisiert zu sein. Dabei geht es nicht allein um das Spielen, sondern auch um all die logistischen Dinge, das Reisen und so weiter. Plötzlich befindet man sich auf der Bühne und – mit all meiner Fragilität und meiner Sensibilität muss ich es dennoch ermöglichen, alles zu geben. Das ist meine Verantwortung dem Publikum gegenüber.

PIANONews: Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich sehr ausgezehrt fühlen, wenn Sie sich einem Werk widmen, dass es so viel Energie aus ihnen herauszieht, dass Sie – ganz selbstkritisch – niemals ganz überzeugt davon sind, dass Sie der Musik und dem Komponisten gerecht werden können. Wie gehen Sie dann mit einem Werk vor, dass Sie sich erstmals vornehmen, oder einem, zu dem Sie zurückkehren?

Piotr Anderszewski: Das sind zwei unterschiedliche Dinge, ich würde fast sagen, zwei unterschiedliche Berufsweisen. Wenn ich ein für mich vollkommen neues Werk lerne – das ist natürlich vollkommen persönlich –, so ist das, als würde ich das Klavierspielen lernen. Es ist nicht etwas, was ich dann so machen will, sondern etwas, das notwendig ist. Wenn ich das erste Mal einen Notentext lese, die richtigen Fingersätze zu finden versuche, erwische ich mich dabei, dass ich mich in einem Zustand befinde, als würde ich wirklich das Spiel auf dem Instrument gerade beginnen. Es ist also nicht so, dass ich eine bestimmte Technik habe und eine Idee, dann ein Werk nehme und es einfach spiele. Es ist also etwas vollkommen Neues, etwas, das vollkommen neu beginnt. Ich brauche das, um etwas zu finden, um kreativ zu sein, etwas zu entdecken und niemals Dinge in dem Werk als gegeben hinzunehmen. Beispielsweise eine Phrase, die wir gewohnt sind auf eine bestimmte Weise zu hören, ein Rubato oder Rallentando, das vielleicht gar nicht in der Musik geschrieben steht. Ich versuche also für mich selbst das Werk neu zu entdecken, mich von Gehörtem zu befreien.
Wenn ich zurückkehre zu einem Werk, besonders, wenn ich es oft gespielt habe, dann ist es vollkommen anders, denn das Gefühl und die Arbeit, dass man das Klavierspiel bei diesem Werk neu beginnt, bleibt in einem bestehen. Es ist so, als würde dieses Werk ein Stück von einem selbst werden. Also ist es eine Arbeit, die einen Gedächtnisbereich zu reaktivieren versucht. Erst die Erinnerung der Nerven für die Bewegungsabläufe, dann die Hörerlebnisse. Das Werk ist ja in einem. Wenn man dagegen ein neues Werk nimmt, dann ist es außerhalb von einem: Da gibt es das Werk, den Komponisten und mich. Der Punkt es zu erlenen, ist der Versuch, alles zu einem werden zu lassen – für mich kommt dieses Phänomen nicht natürlich, sondern es bedeutet Arbeit. Ich weiß nicht, warum dies so ist – und ich wünschte mir, dass es anders wäre. [er lächelt]

PIANONews: Manches Mal sagt man ja, wenn man ein neues Werk aus einer geschichtlichen Periode nimmt, die man nicht so gewohnt ist zu spielen, wäre es, als würde man eine neue Sprache lernen … Wenn Sie also ein neues Werk von Schumann erlernen und Sie kennen natürlich Schumanns Musiksprache bereits, ist es dann einfacher, dieses Werk anzugehen?

Piotr Anderszewski: Nein, ich würde sagen, dass es sogar schwieriger ist. Die musikalische Sprache zu kennen, bedeutet dennoch, dass dieses Werk ein vollkommen neues Gebilde darstellt, ein Objekt – nicht in einer negativen oder abwertenden Bedeutung – mit dem man sich verbinden muss. Und wenn es ein neues Werk von Schumann oder Chopin ist, dann ist es dennoch etwas vollkommen Neues. Auf eine Art ist es dann sogar einfacher, ein Werk von einem Komponisten zu erlernen, dessen musikalische Sprache ich nicht kenne. Ich nehme die Musik und beginne sie zu lesen, es gibt weniger Verbindlichkeit, es gibt weniger von dem Komponisten, das schon in mir ist. Man könnte auch sagen, dass ich weniger verunreinigt bin von diesem Komponisten. [er lacht auf] Es ist sehr kompliziert …

Das vollständige Interview lesen Sie in PIANONews 2-2021.

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