Pianonews 04 / 2020

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Andreas Staier

 Das Ziel ist der Weg

Von: Carsten Dürer

Er ist einer der Pianisten, die sich noch während der Ausbildung in den Hammerflügel verliebten: Andreas Staier ist ein Vorreiter, wenn es um die Interpretation von Klaviermusik auf dem Hammerflügel geht. Begonnen hat er allerdings mit dem modernen Flügel, wechselte dann zum Cembalo – und traf auf einen Graf-Flügel, der ihn zu neuen Ufern führte. Doch was denkt Andreas Staier heute über moderne Flügel? Warum hat er – nach langer Zeit erstmals wieder – gerade jetzt eine Doppel-CD mit Solowerken von Beethoven eingespielt? Wir besuchten ihn in seinem Haus in Köln, um uns von ihm einige Fragen beantworten zu lassen.

 

PIANONews: In diesem Jahr werden Sie 65 Jahre alt …

Andreas Staier: [er winkt lachend ab] Oooch, können wir diese Frage nach meinem Alter nicht direkt überspringen und zur nächsten kommen?

PIANONews: Nun, es ist ein Alter, in dem man langsam als weise gilt. Haben Sie auch mittlerweile das Gefühl, dass Sie eine gewisse Weisheit erreicht haben?

Andreas Staier: Also weise … in guten Momenten schon. Aber auf die Gelassenheit des Alters warte ich dagegen immer noch vergeblich. „Weise“, was bedeutet das schon … Aber dass man etwas verstanden hat über Musik, kann man sich selbst manches Mal nicht verhehlen. Gelassenheit hätte ich – wie gesagt – gerne mehr, aber das kommt ja vielleicht noch, ich habe ja erst im letzten Drittel des Jahres Geburtstag. [er lächelt]

PIANONews: Aber das bedeutet, dass Sie mittlerweile so viel Wissen angesammelt haben, dass man nicht bei jeder Kleinigkeit nachdenken muss? Oder ist das falsch ausgedrückt?

Andreas Staier: Mmhh, es ist nicht falsch und auch nicht richtig. Wenn es gut läuft – und das kann ich von mir auch nicht in jedem Moment behaupten – hilft das Wissen dabei, die richtigen Fragen zu stellen. Ob das Wissen dazu verhelfen sollte, weniger nachzudenken, in dem Sinne, dass man für alles seine Patentlösung hat, ist der weniger interessante Aspekt. Aber man bekommt schon einen Riecher dafür, wo hake ich nach, wo setze ich bei Texten oder in der Musik an. Man arbeitet also etwas zielstrebiger.

PIANONews: Auch wenn Sie sicherlich schon hunderte Male über Ihren Werdegang gesprochen haben, wollte ich doch einige Fragen dazu stellen. Bei wem haben Sie in Hannover begonnen Klavier zu studieren?

Andreas Staier: Das waren nicht die großen Kory-phäen, denn ich konnte ja nicht wirklich Klavier spielen, als ich an die Hochschule kam, bis dahin hatte ich ja immer vom Blatt gespielt. Deswegen hätten mich die Herren Hans Leygraf und Karl-Heinz Kämmerling nicht mit der Kneifzange angefasst. Ich kam zuerst zu Kurt Bauer, der in den 1960er und 1970er Jahren im Klavierduo mit seiner Frau auftrat, das Duo Bauer Bung. Dann wechselte ich zu einer ehemaligen Schülerin von Leygraf, zu Erika Haase, die vor zwei Jahren verstorben ist. Aber sie hatte beispielsweise auch Unterricht bei Eduard Steuermann und hat sehr viel zeitgenössische Musik gespielt. Sie war eine der ersten, die die Etüden von Ligeti spielte. Und dann war es Lajos Rovatkay mit dem Cembalo, der mich wirklich geprägt hat.

PIANONews: Warum sind Sie nicht beim Klavier geblieben? Hat es Sie nicht gereizt?

Andreas Staier: Doch schon, aber die Entscheidung für das Cembalo war nie eine Entscheidung gegen das Klavier. Es war eher so, dass ich mich schon als Kind für die Musik – natürlich die von Bach – aber vor allem, die vor Bach interessiert habe. Natürlich waren die Cembali zu meiner Kinderzeit nicht so interessant, dass es eine Frage des Instruments war, die mich umtrieb. Ich hatte auch Orgelunterricht. Und das Orgelrepertoire des norddeutschen 17. Jahrhunderts ist ja interessanter, schöner und interessanter als das für Cembalo, Bruhns und Buxtehude und wie sie alle heißen. Und eines Tages sah ich im Musikgeschäft das Fitzwilliam Virginal Book und dachte: Was ist das denn. Ich kaufte es – auch weil diese beiden dicken Bände sehr billig waren. Und ich spielte das Repertoire durch und fand es toll. Die Neugier auf die Musik vor Bach war einfach früh vorhanden. Dann kam es halt zu der Begegnung mit Rovatkay an der Hochschule, die das alles ein bisschen kanalisierte und verstärkte.

PIANONews: Auch wenn es zu dieser Zeit noch nicht so üblich war, dass man Byrd oder Bull auf dem Klavier spielte, hätte man das ja auch tun können.

Andreas Staier: Ja, wenn man Bach auf dem Klavier spielt, kann man das natürlich auch. Das hat ja Glenn Gould schon sehr früh getan – und auch sehr schön. Der moderne Flügel ist ja nun einmal als Allzweckinstrument konzipiert, auf dem irgendwie alles funktionieren soll. Und in welchen Grad das möglich ist, ist gar nicht die Frage. Es ist etwas Schönes, ein Instrument zu haben, mit dem alles gespielt werden kann. Mich hat das auch nie gestört. Irgendwann habe ich mir noch zu Schulzeiten die Ausgabe der Werke von Couperin gekauft, die Brahms mit Friedrich Chrysander angefertigt hat. Und da hatte ich dann im Vergleich zu William Byrd eher das Gefühl, dass es auf einem modernen Flügel nicht so gut klingt, ohne eine genaue Vorstellungen zu haben, wie ein französisches Cembalo klingt. Es gibt natürlich Musik, die spezifischer auf ein bestimmtes klangliches Medium zugeschnitten ist, etwas, was nicht zwingend mit der Chronologie zusammenhängt. Ein Nocturne von Chopin werden Sie auch nicht gut für Saxophon-Quartett bearbeiten können, mit der ‚Kunst der Fuge‘ geht das aber relativ gut. Bei Couperin kamen die ersten Fragen auf.

PIANONews: War es in der Zeit Ihrer Ausbildung noch eine Zeit, in der man dann gerne nach Holland ging, das Land, in dem die Alte-Musizierpraxis weitaus fortschrittlicher war?

Andreas Staier: Ja, das war so. Ich denke, man war dort weiter, weil die deutsche Bach-Pflege vieles an die Wand gedrückt hat. Ob das im Osten das Thomas-Kantorat war, oder im Westen ein Künstler wie Karl Richter und viele andere. Das waren so starke Einflüsse. Und diese Interpreten waren ja keine Vollidioten. Mit dem Abstand von einer Generation finde ich auch interessant, wieder einmal etwas von Karl Richter zu hören, um zu sehen, ob es denn wirklich so schrecklich ist, wie ich immer dachte. Irgendwie ist es das dann leider doch [er lacht]. Aber man spürt auch eine unglaubliche Intensität des Wollens, er hatte es ja nicht leicht genommen und wusste auch vieles. Es gab zwar in Holland auch eine strake Tradition, die von Mengelberg beispielsweise, aber die war nicht so beeinflussend. Und nach dem 2. Weltkrieg, als die Deutschen nicht mehr ein so starkes musikalisches Vorbild waren, war Raum, sich zumindest von diesem Einfluss zu befreien. So hatten die Holländer es leichter, Traditionen über Bord zu werfen und neu anzufangen. Als ich dort begann, so um 1970, war da einfach mehr los. Aber ich muss meinen Lehrer Lajos Rovatkay dann doch in Ehren halten, denn letztendlich habe ich bei ihm mehr gelernt, oder zumindest Fundierteres, als das, was in Holland hinzukam. Ich habe mich zwar in Amsterdam gut amüsiert, aber nicht allzu viel gelernt.

PIANONews: Aber die beiden großen Namen wie Gustav Leonhard und Ton Koopman bleiben ja dann doch in einer Biografie wie Ihrer stehen …

Andreas Staier: Ja, aber ich habe nie bei Gustav Leonhard studiert, das ist falsch. Ich habe das schon vielfach gesagt, aber wenn das da einmal drinsteht, dann ist es schwer, es rauszubekommen. Und wenn man dann einmal fast 65 Jahre alt ist, ist es irgendwann auch wurscht. [er lächelt] Ich bin mal nach meinem Examen bei ihm zu privaten Stunden gegangen, aber ich habe nie bei ihm studiert.

PIANONews: Eine Zeitlang waren Sie ja stark auf das Cembalo fixiert, 1979 haben Sie mit 24 Jahren den Deutschen Musikwettbewerb für Cembalo gewonnen …

Andreas Staier: Nun ja, Hammerklaviere gab es ja eigentlich noch nicht. An der Hochschule in Hannover stand eine Kopie eines Hammerflügels aus der Werkstatt von Neupert, die vielleicht schon bei Erwerb nicht die schönste war und dann auch noch ungeliebt herumgestoßen wurde und so eine komplette Ruine war. Das war eher etwas zum Abgewöhnen. Ich habe dann auf einem Cembalo-Kurs in Antwerpen diesen wunderbaren Graf-Flügel entdeckt, der in einem hervorragenden Zustand war. Dieser hat mir dann neue Horizonte eröffnet. Das war ein Klang, den ich noch nie gehört hatte, für einen Schubert und anderes.

PIANONews: Welche Art Repertoire probiert man dann an solch einem Flügel aus, wenn man ihn komplett neu entdeckt.

Das komplette Gespräch mit Andreas Staier lesen Sie in der Ausgabe 4-2020 von PIANONews.

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