Pianonews 02 / 2018

Titel 2 2018

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Murray Perahia

Über Beethoven: Obsessionen und falsche Noten

Von: Marco Frei

Er zählt zu den großen Beethoven-Exegeten. Trotzdem hat Murray Perahia zwei Klaviersonaten noch nicht eingespielt: die „Hammerklavier“- und die „Mondschein“-Sonate. Das hat der amerikanische Pianist sephardischer Herkunft, dessen Familie vom Holocaust betroffen war, nun nachgeholt. Doch warum hat er mit beiden Werken so lange gehadert? Ein Gespräch in seinem Haus in London gewährte tiefe Einblicke.

PIANONews: Herr Perahia, dass Sie die gewaltige „Hammerklavier“-Sonate noch nicht aufgenommen haben, kann ich noch irgendwie nachvollziehen. Aber die „Mondschein“-Sonate: Warum?

Murray Perahia: Das ist eine gute Frage und offen gestanden: Ich habe keine Antwort darauf. Die Art und Weise, wie ich diese Sonate spiele, hat sich über die Jahre geändert. Das weiß ich. Es gibt übrigens ein Video von mir auf Youtube von der „Mondschein“-Sonate in Japan, aus den späten 1970er Jahren. Dort fasse ich sie sehr schnell auf. Ich habe sie generell stets sehr schnell gespielt.

PIANONews: Was ich grundsätzlich mag …

Murray Perahia: Ich auch, aber mit einer Ausnahme. Es geht um den ersten Satz, für den Beethoven „alla breve“, also eine halbtaktige Zählweise, vermerkt. Und er schreibt „Adagio sostenuto“, was zu seiner Zeit keineswegs so langsam gespielt wurde, wie es heute gemeinhin oftmals gemacht wird. Ein „Largo“ war damals langsam, aber „Adagio“ war nur etwas langsamer als ein „Andante“. Carl Czerny schlägt ein flottes Zeitmaß von „MM = 54 je Viertel“ vor, vielleicht sogar 60, sowie generell ein „mäßiges Andante-Tempo“. So habe ich das Werk viele Jahre gespielt, ohne aber vollständig überzeugt gewesen zu sein. Heute empfinde ich es etwas langsamer.

PIANONews: Warum?

Murray Perahia: Kennen Sie das Gedicht, das mit der „Mondschein“-Sonate in Zusammenhang gebracht wird: „Die Beterin“ von Johann Gottfried Seume? Meine Interpretation ist davon beeinflusst. „Auf des Hochaltares Stufen kniet / Lina im Gebet, ihr Antlitz glühet, / Von der Angst der Seele hingerissen, / Zu der Hochgebenedeiten Füßen.“

PIANONews: Hat diese Atmosphäre auch Konsequenzen für den Gebrauch des Pedals?

Murray Perahia: Der erste Satz der „Mondschein“-Sonate ist das erste Stück, das ich kenne, das ein durchgängiges Pedal verlangt: vom Anfang bis zum Ende. Beethoven selbst soll gesagt haben, dass das Stück delikat gespielt werden solle: mit durchgängigem Pedal. Ich glaube nicht, dass das so gemacht werden sollte. Jedenfalls nicht um den Preis einiger wichtiger Harmonien, die dadurch verwischt würden. Aber ja, die Idee einer Pedal-Klanglichkeit war damals in dieser Form revolutionär. Das wird von Beethoven wie eine Textur entworfen. Hierin höre ich eine Verbindung zu den späteren Romantikern, wenn es um das Pedal geht. Das gilt auch für die Eröffnung des langsamen Satzes in seinem Klavierkonzert Nr. 3 oder für andere Sonaten, wo Beethoven den Gebrauch des Pedals klar befragt. Dafür spricht allein der schon damals geläufige Vorwurf, dass Beethoven zu viel Pedal einsetze. Dieser Vorwurf traf später übrigens auch Johannes Brahms, aber beide taten es aus einem ganz bestimmten Grund.

PIANONews: Nämlich?

Murray Perahia: Sie taten es, weil sie gewissermaßen nicht jeweils einen getrennten Klang für jede einzelne Note haben wollten, sondern eine klangliche Verbindung zwischen den Harmonien. Das folgte einer klaren, schöpferischen Intention. Trotzdem würde ich niemals das Pedal durch das ganze Stück betätigen. Das wäre für mich zu viel. Sonst sind manche harmonische Verläufe nicht eindeutig und klar. Wenn man etwa in einem Takt ein E-Dur hat, das im nächsten von einem e-Moll kontrastiert wird, ist ein durchgehaltenes Pedal aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Weil die harmonischen Unterschiede, die die musikalische Essenz an dieser Stelle darstellen, verschwimmen. Es gibt eben Stellen der Klarheit und solche, die die Harmonien verschmelzen lassen.

PIANONews: Sind denn diese Stellen stets zweifellos erkennbar?

Murray Perahia: Diese Entscheidung ist mehr eine Frage der Vorstellung. Die Idee ist, zumindest in den ersten Takten und an bestimmten Stellen inmitten des ersten Satzes der „Mondschein“-Sonate, eine Art körperloser Klang: nicht abgegrenzt, sondern flüssig. Dies berührt das erwähnte Gedicht und den dort beschriebenen Kummer über Menschen, die so jung verstorben sind. Sie gehen irgendwo hin, wo es kein Sonnenlicht gibt, sondern nur den Mondschein. Natürlich wurden zu jener Zeit viele Gedichte an und über den Mond geschrieben, und einige wurden vertont: mit gebrochenen Akkorden wie in der „Mondschein“-Sonate. Von Franz Schubert gibt es ebenfalls Beispiele. Der körperlose Klang lässt die Harmonien ineinanderlaufen, und man gewinnt den Eindruck von Einsamkeit, Traurigkeit, Trauer: all das, was mit dem Mond verbunden wurde....

Das gesamte Interview lesen Sie in PIANONews 2-2018



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