Pianonews 04 / 2014

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Angela Hewitt

„Das Leben ist zu kurz, um alles zu machen, was mich interessiert.“

Von: Isabel Herzfeld

Vor allem in Deutschland gilt sie immer noch als Bach-Spezialistin, doch längst ist Angela Hewitts Repertoire so vielseitig, dass man diese Annahme getrost ins Reich der Vorurteile verweisen kann. Zurzeit ist die Mittfünfzigerin aktiv wie nie, tourt mit wechselnden Programmen in der ganzen Welt, legt eine geradezu gigantische CD-Produktion vor, leitet ihr eigenes Kammermusikfestival und setzt sich auch mit der Kunst des Dirigierens verstärkt auseinander. Sie unterhält drei Wohnstätten in London, im italienischen Umbrien und in ihrem Herkunftsland Kanada, genießt diesen ständigen Wechsel, der ihr ebenso einen südlichen Sommer wie weiße Weihnachten erlaubt. Wir trafen die umtriebige Künstlerin in Berlin, wo sie nach CD-Aufnahmen einen Auftritt beim Berliner Klavierfestival hatte.

PIANONews: Gestern spielten Sie ein sehr interessant aufgebautes Programm, in dem Sie die 3. Englische Suite von Bach mit op. 110 von Beethoven und später Bachs „Chromatische Fantasie“ mit der Sonate von Liszt kombinierten. Sowohl die Beethoven- als auch die Liszt-Sonate enthalten ja eine groß angelegte Fuge, und es ist spannend, das mit Bach zu vergleichen.

Angela Hewitt: Genauso ist es. Ich habe immer ein breites Repertoire gespielt. Während meiner Studienzeit wusste natürlich jeder, dass ich Bach spiele, mein Vater war ja Organist, das war also sozusagen meine musikalische Herkunft. Aber eigentlich war ich bekannter für meine Interpretationen der Romantiker, der Liszt-Sonate oder der großen Schumann-Werke. Inzwischen habe ich natürlich auch eine Menge anderes entdeckt, etwa die französische Musik. Natürlich ist Bach immer noch zentral für mich, ich habe jetzt fast alle seine Werke eingespielt, das „Wohltemperierte Klavier“ sogar zweimal. Auch plane ich, demnächst in London einen kompletten Bach-Zyklus aufzuführen. Aber da ist andererseits noch so viel anderes wundervolles Repertoire, ich möchte gar nicht nur Bach spielen. Ich brauche diese Vielfalt, das ist wichtig für mich.

PIANONews: Ist es eigentlich schwieriger geworden, reine Bach-Recitals zu geben? Von einigen Ihrer Kollegen hörte ich, dass Veranstalter heute mehr romantische Programme verlangen.

Angela Hewitt: Nicht unbedingt. Ich denke, Bach ist immer noch ein sehr populärer Komponist. Vielleicht wollen einige nicht gerade „Die Kunst der Fuge“ im Programm haben. Das ist eine Schande, denn das ist ein einzigartiges Werk. Sicherlich Musik, die nicht so leicht zu hören ist, aber warum sollte es immer einfach sein? Ich persönlich denke mehr und mehr, wenn mir ein Veranstalter hinsichtlich meines Programms zu stark hineinredet, dann gehe ich einfach, sorry. Als ich letzte Nacht aus dem Studio kam, nachdem ich eine Woche lang Liszt aufgenommen hatte, wollte ich gerne Schluss machen, aber der Produzent wollte das nicht. Das war mir eine Lehre. Das muss nun wirklich nicht sein, wenn jemand wie ich 100 Konzerte im Jahr hat.

PIANONews: Bleiben wir zunächst noch bei Bach. Wie hat sich Ihre Interpretation im Laufe der letzten, sagen wir, 15 Jahre verändert?

Angela Hewitt: Allein schon dadurch, dass ich selbst mich verändert habe. Wenn man sich nicht ändern würde, hätte man doch irgendwie ein Problem. Vor allem aber änderte sich dadurch eine Menge, dass ich anfing, auf Fazioli-Flügeln zu spielen. Das eröffnete mir eine reichere Klangwelt, die ich einsetzen konnte.

PIANONews: Seit wann haben Sie das so gemacht?

Angela Hewitt: Ich glaube, meinen ersten kleinen Fazioli, den ich in London habe, kaufte ich 1999, aber etwa 2003 begann ich, darauf konsequent Bach im Konzert zu spielen. Seit 2003 habe ich auch alle meine Aufnahmen auf einem Fazioli gemacht.

PIANONews: Und was schätzen Sie so am Fazioli?

Angela Hewitt: Man kann eine Menge verschiedene Anschlagsarten darauf entwickeln, und er reagiert sofort. Diese Leichtigkeit gehört zu den Dingen, die ich wirklich zu schätzen weiß. Gestern bei Liszt gingen einige Passagen sehr leicht, und ich hatte immer noch Reserven für einen schönen Klang. Dieser Flügel hat eine breite dynamische Skala, und jede kleine Veränderung im Anschlag kommt sofort zur Wirkung. Bei anderen Instrumenten muss ich mich ziemlich anstrengen, um das zu erreichen. Dabei ist Kraft schon in Ordnung, aber wenn man bei anderen Flügeln Kraft hineingibt, wird der Klang scharf, das mag ich gar nicht. Und Paolo Fazioli entwickelt das Klavier immer weiter, dabei kann ich mich mit ihm beraten und ihn nach seiner Meinung fragen. Es ist schon schön, in engem Kontakt mit seiner Klavierfirma zu stehen.

PIANONews: Aber Ihre Art zu spielen ist ja nicht nur von Ihrem Instrument abhängig. Was änderte sich denn darüber hinaus an Ihrer Bach-Interpretation?

Angela Hewitt: Ich glaube, ich habe vor allem mehr rhythmische Flexibilität. Da habe ich eine Menge gelernt, indem ich mich mit den französischen Cembalo-Komponisten beschäftigte, mit Rameau und Couperin. Allerdings bevorzugen einige Leute meine früheren Aufnahmen etwa des „Wohltemperierten Klaviers“, weil sie meinen, ein ganz exakter Rhythmus sei sicherer. Ein Klavierprofessor in den USA sagte mir jedenfalls: Wir lieben ja Ihre zweite Aufnahme, aber ich lasse meine Studenten lieber die erste hören, denn wenn ich sie so spielen lasse, wie Sie das auf Ihrer zweiten Aufnahme tun, werden sie durchs Examen fallen, weil sie sich zu viele Freiheiten erlauben. Also insgesamt ist es freier geworden, natürlich auch, weil ich die Musik jetzt einfach sehr gut kenne. Und Flexibilität muss einen nicht wegbringen von der Genauigkeit des Originaltextes. Rubato ist wichtig, aber man muss es intelligent anwenden.

PIANONews: Das war ja früher überhaupt nicht erlaubt.

Angela Hewitt: Wanda Landowska spricht darüber, wie ihr das Verbot, expressiv zu werden, eingetrichtert wurde. Es kostete sie ungeheure Mühe, um das wieder loszuwerden, ja zu verlernen, nachdem sie sich klargemacht hatte, wie unsinnig das war. Natürlich ist nur ein schmaler Grat zwischen expressivem und zu romantischem Spiel. Aber ich spiele Bach auf dem modernen Klavier, das gibt mir wundervolle Möglichkeiten der Tonfarben, der Profilierung der einzelnen Stimmen, des Durchhaltens langer singender Linien, womit man alle Freude dieser Musik hervorbringen kann. Aber natürlich spiele ich Bach nicht wie Chopin, ich gehe mit dem Pedal viel vorsichtiger um, und der Rhythmus der jeweiligen Tanzcharaktere, er muss zwar extrem lebendig, aber trotzdem stabil sein. Also beschäftige ich mich sehr mit stilistischen Fragen. Dafür studiere ich sehr viel Musik, und zwar nicht nur für Tasteninstrumente. Ich denke gar nicht so viel über Klavierspiel nach oder wie man Bach spielen muss, sondern beschäftige mich mit Orchester, mit Stimmen oder Streichinstrumenten. Ich habe ja auch zehn Jahre Violine gespielt, und das hilft mir auch sehr. Und es geht auch nicht nur um Musik und die Kenntnisse darüber, sondern man muss seine Augen gegenüber allen Dingen des Lebens öffnen, allem, was in der Welt passiert. Wenn man sich jemanden wie Schumann ansieht, ist es so interessant, alles Mögliche über seine Lebensumstände zu wissen, seine Schriften, die Literatur der Zeit zu kennen etc. Er war einfach so eine vielschichtige Persönlichkeit.

PIANONews: Zu meiner Studienzeit galt ja noch das Dogma der absoluten Musik, nach dem außermusikalische Umstände überhaupt keinen Einfluss hatten. Was kann das Publikum mit Ihrem Wissen anfangen?

Angela Hewitt: Es ist gut, dass die Zeiten sich geändert haben. Es ist gut, dass vor den Konzerten über die Musik gesprochen wird, und das tue ich so oft wie möglich. Ich schreibe auch Einführungstexte. Wenn ich Bach spiele, gebe ich ein paar Informationen etwa über die Präludien und Fugen, damit das Publikum überhaupt einen Schlüssel hat, um zu verstehen, was Bach hier tut. Die Leute sagen, dass ihnen das wirklich hilft, und ich spüre das beim Spielen, ich fühle mich selbst auch besser.

PIANONews: Ich habe gesehen, dass Sie neben Ihren Solo-CDs auch Kammermusik eingespielt haben, z. B. die Flötensonaten von Bach. Welche Bedeutung hat denn Kammermusik für Sie?

Angela Hewitt: Vor allem auf meinem Festival in Italien spiele ich sehr viel Kammermusik.

PIANONews: Sie haben ein eigenes Festival?

Angela Hewitt: Ja, das ist auch etwas, was mich in den vergangenen zehn Jahren sehr stark beschäftigt hat. Das ist das Trasimeno-Festival, am Lago di Trasimeno. Es begann im Jahre 2005, also kann ich nächstes Jahr zehnjährigen Geburtstag feiern, das ist sehr aufregend. Das Publikum kommt aus der ganzen Welt dorthin. Ich stelle das Programm zusammen, ich suche die Künstler aus, das ist wirklich großartig. Das mache ich alles selbst. Und natürlich gibt es ein paar Leute, die mir bei der Organisation helfen, es ist sehr viel Arbeit, aber es ist auch wunderbar. Dieses Jahr findet das Eröffnungskonzert in Assisi statt, in der berühmten Basilika, mit Jeffrey Tate und einem Mozart-Programm, mit der Krönungsmesse und dem Krönungskonzert. Ich habe ein paar interessante Sänger, ich habe das Quartetto di Cremona, ich werde die „Goldberg-Variationen“ spielen, die Camerata Salzburg wird kommen, um alle Bach-Konzerte zu machen, an einem einzigen Tag! An einem Nachmittag und Abend alle neun!

PIANONews: Ist das nach dem Modell „Angela Hewitt & friends“ aufgezogen?

Angela Hewitt: Ja, ich engagiere Leute, die ich bewundere, mit denen ich schon immer gern zusammenarbeiten wollte, oder die ich aus längerer Zusammenarbeit kenne. So hatte ich vor ein paar Jahren den wunderbaren Mezzosopran Anne Sofie von Otter, und jetzt wollen wir ein paar Konzerte in der nächsten Saison zusammen machen. In so einer Zusammenarbeit wird man Freunde. Wir machen ein deutsch-französisches Programm, Fauré, Debussy, Chaminade im 2. Teil, auch Chabrier, vorher Schubert und Beethoven. Es ist schön, wenn Beziehungen, die auf dem Festival begonnen haben, dann weitergehen. Und es gibt mir ebenso die Möglichkeit, Repertoire, das die Veranstalter sonst nicht so nachfragen, zu spielen oder auch etwas auszuprobieren, bevor ich es aufnehme. So kommt es, dass ich im Sommer sehr viel Kammermusik spiele. Auch früher spielte ich viel mit meinen Eltern und meinem Bruder, der ein guter Geiger war. Später in der Schule war ich Begleiterin einer Klarinetten-Klasse; als ich in Frankreich lebte, war ich Mitglied des Trio de France, und später in London machte ich wieder etwas mit Bläsern.

PIANONews: Wann schlafen Sie eigentlich?

Das vollständige Interview lesen Sie in Ausgabe 4-2014 von PIANONews.

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